Tierwohl

Tiergesundheit bei Demeter

Das Wohl unserer Tiere liegt uns am Herzen. Wir begegnen Ihnen mit Respekt – deshalb steht für uns Gesunderhaltung durch geeignete Haltungsbedingungen an erste Stelle. Im Krankheitsfall heißt das für uns: Das Tier so schonend wie möglich zu behandeln und Leid zu verhindern oder mindestens bestmöglich zu minimieren.

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Katja Aßmann

Vorbeugung als erste Wahl

Bei der Tiergesundheit steht die Prophylaxe an erster Stelle: Den Tieren ausreichend Platz bieten – auch zum Ausleben ihres Herdenverhaltes. Frische Luft und Auslauf. Am Bedarf und am Wesen orientierte Fütterung, fachgerechte Hygiene. Auch die Grundlage muss stimmen. Deshalb werden für den Ökolandbau geeignete Nutztierrassen ausgewählt und in Richtung robuster Tiere mit moderater Leistung weitergezüchtet. Auf maximalen Fleischzuwachs sowie höchste Legeleistung oder Milchmenge wird verzichtet. Viel Platz und Einstreu im Stall wirken ebenfalls positiv auf die Gesundheit. Diese Maßnahmen machen die Tiere weniger anfällig für immunologische und physiologische Erkrankungen, helfen dabei, eine stabile Herdengesundheit zu schaffen und den Einsatz von Arzneimitteln generell zu verringern. Nicht zu unterschätzen ist dabei der Faktor Mensch: Durch eine gute Beziehung der Landwirt:innen zu ihren Tieren und aufmerksame Beobachtung der Tiere im Alltag können Ungleichgewichte schnell erkannt und ausgeglichen werden. Erkennt man Krankheiten im Frühstadium, können sie oft mit einer milden Therapie auskuriert werden. 

Eine präventive Behandlung mit diätetischen Futterzusätzen, homöopathischen oder phytotherapeutischen Mitteln – z.B. Zufütterung von Bitterkräutern – ist möglich. Immunologisch wirksame Mittel (Impfungen) sind erlaubt. Ein präventiver Einsatz von chemisch-synthetischen allopathischen Mitteln wie Antibiotika ist im Ökolandbau generell verboten.

Integrativer Ansatz im Krankheitsfall

Kommt es doch zum Krankheitsfall, so müssen unmittelbar Maßnahmen zur Beseitigung oder mindestens Linderung der Beschwerden eingeleitet werden. Die Behandlungsmethode ergibt sich im jeweiligen Einzelfall aus der Fürsorgepflicht des Tierhalters und der tierärztlichen Indikation – also der Empfehlung des Tierarztes. Grundlegend hierbei ist die Schwere des zu behandelnden Falls unter Berücksichtigung des Allgemeinzustands des Tieres. Phytotherapeutische und homöopathische Präparate sind bei der Behandlung vorzuziehen – sofern mit ihrer therapeutischen Wirkung bei der betreffenden Tierart und der zu behandelnden Krankheit gute Erfahrungen gemacht wurden und das Tierwohl gewährleistet ist. Wenn notwendig, werden unmittelbar konventionelle Tierarzneimittel unter der Verantwortung eines Tierarztes verabreicht.

Im Ökolandbau werden die Wartezeiten – bis nach dem Einsatz eines Arzneimittels Milch, Fleisch oder Eier wieder zum Verzehr vermarktet werden dürfen - verdoppelt.

Kathrin Goebel ist ausgebildete Tierärztin und praktizierende Landwirtin auf dem Hofgut Oberfeld.  Sie berichtet aus der Praxis: „Komplementärmedizin kommt bei uns bei allen Notfällen, Erkrankungen und auch allen ‚besonderen Situationen‘ – wie z.B. Geburt, Klauenschneiden, Futterumstellung, Brunst oder das Absetzen von Kälbern – und bei Eingriffen wie Kastration oder Ohrmarken einziehen, zum Einsatz. Vor allem setze ich hier auf klassische Homöopathie, aber auch auf Akupunktur und Phytotherapeutika. Typische Behandlungen sind bei mir Eutererkrankungen (akut und chronisch), Kälberdurchfall und Kälbergrippe. Die Behandlung besteht tatsächlich immer aus einer Kombination von verschiedenen Homöopathika und ggf. Salben oder anderen Mitteln. Bei Durchfall z.B. bekommen die Tiere lang gekochte Karotten, Heilerde, Elektrolyttränke – eventuell auch eine Infusion. Ätherische Öle – die auch als Futterzusatz erhältlich sind, können bei Atemwegserkrankungen helfen.“ Homöopathika können auch begleitend zu einer Antibiotika-Therapie eingesetzt werden, erklärt Kathrin Goebel. „Natürlich ersetzen komplementärmedizinische Mittel keine Infusion, z.B. bei Milchfieber oder Azidose und Flüssigkeitsmangel bei einem Durchfallkalb, aber gerade die Kombination von komplementärmedizinischen und allopathischen Mitteln bietet einen klaren Vorteil: Durch die viel umfassendere Behandlung ist das Tier bestmöglich betreut.“ Ebenso wichtig sei aber auch das Streben nach einer guten Konstitution der Tiere durch Klauenpflege, gute Haltungsbedingungen und eine angemessene Fütterung.

Phytotherapeutische und homöopathische Präparate sind - sofern ihre therapeutische Wirkung bei der betreffenden Tierart und der zu behandelnden Krankheit gewährleistet ist – vorzuziehen. Das legt die EU-Ökoverordnung so fest – in der Praxis kommen solche Mittel aber auch auf vielen konventionellen Höfen zum Einsatz. Ausschlaggebend dabei, welche Mittel in welchem Fall zum Einsatz kommen, ist die Vermeidung von Tierleid sowie die tierärztliche Einschätzung. Behandlungen mit pflanzlichen Präparaten – beispielsweise Arnikasalbe oder Kamillentee – fallen unter den Begriff Phytotherapie und werden oft auch bei kleineren Blessuren eingesetzt, die keine aufwändige tierärztliche Behandlung erfordern. Außerdem kommen Homöopathika oder Mittel aus der anthroposophischen Medizin zur Anwendung. Im Gegensatz zu chemisch-synthetischen Medikamenten sind diese Mittel weitgehend frei von unerwünschten Nebenwirkungen, ohne Risiko anzuwenden und erzeugen keine Rückstände oder Resistenzen. So entstehen auch keine Wartezeiten für die Weiterverarbeitung der tierischen Erzeugnisse.  In vielen Fällen werden phytotherapeutische und homöopathische Mittel auch ergänzend (als Komplementärmedizin) eingesetzt, um die Genesung nach Einsatz eines konventionellen medizinischen Mittels zu unterstützen. Homöopathie oder Heilpflanzen werden auch häufig vorbeugend zur Stärkung in besonderen Situationen (Geburt, Futterwechsel, Umstallung) unter tierärztlicher Begleitung eingesetzt.

Mehr Informationen finden Sie bei der Gesellschaft für ganzheitliche Tiermedizin.

Ein Blick ins Nachbarland lohnt sich – hier werden die Potentiale komplementärer Ansätze in der Veterinärmedizin systematisch erforscht: „KOMETIAN“ ist ein Verein in der Schweiz, der sich zum Ziel gesetzt hat, Antibiotikaresistenzen mit Hilfe von komplementärmedizinischer Beratung (insbesondere Homöopathie) zu reduzieren. Fachpersonen aus Veterinärmedizin und Tierheilpraxis bieten Schweizer Landwirt:innen Unterstützung beim gesundheitlichen Herdenmanagement an. Wissenschaftlich begleitet wird das Vorhaben vom Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL).

Nicole Studer, Tierärztin und Leiterin des Beratungsteams, erklärt ihr Vorgehen in einem akuten Behandlungsfall: „Solange der Allgemeinzustand des Tieres in Ordnung ist – d.h. das Tier frisst -, starten wir einen Behandlungsversuch mit komplementärmedizinischen Mitteln. In der Regel sind das Homöopathika, da diese am einfachsten verfügbar sind. Je akuter der Fall, desto erfolgreicher lässt sich das Tier homöopathisch behandeln. Ist das Allgemeinbefinden stark gestört oder tritt innerhalb weniger Stunden keine deutliche Besserung ein, wird der Beizug des Hoftierarztes empfohlen. Über 90% aller Anfragen, die bei uns eingehen, sind zu Erkrankungen bei Rindern und kleinen Wiederkäuern. Hier treten Euterkrankheiten – wie z.B. Mastitis (Euterentzündung) – am häufigsten auf. Bei einer akuten Mastitis funktioniert die homöopathische Behandlung gut; bei chronischen Beschwerden ist der Erfolg weniger hoch. Das deckt sich jedoch auch mit den Therapieergebnissen der Schulmedizin. Des Weiteren bekommen wir häufig Anfragen zu Beratungen rund um die Geburt und Geburtsfolgeerkrankungen. Stoffwechselerkrankungen, Durchfall bei Jungtieren oder Atemwegserkrankungen landen ebenfalls häufig beim Beratungsteam. In rund 70% der Fälle erzielen wir ein positives Ergebnis, d.h. eine Heilung oder eine zufriedenstellende Verbesserung, allein mit komplementärmedizinischen Methoden. Ganz wichtig ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Tierhalter und Berater. Die meisten Fälle sind nicht mit einem einzigen Telefonat erledigt, sondern es braucht je nach Situation eine enge Begleitung, um sicherzustellen, dass das Tierwohl immer sichergestellt ist und im Notfall ein Tierarzt rechtzeitig gerufen wird.“

Je nach Krankheitsbild kann der Einsatz allopathischer Medizin notwendig sein, um das Tierwohl sicherzustellen.  Die tierärztliche Einschätzung ist hier ausschlaggebend. Generell gilt: Bei Knochenbrüchen, Bänder- oder Sehnenentzündungen, Verletzungen mit klaffenden Wunden, Verletzungen oder Verlagerungen von inneren Organen oder Verschlüsse von Hohlorganen muss allopathisch behandelt werden, homöopathische Mitteln können eine solche Behandlung ggf. begleitend unterstützen. Ebenso bei Krankheiten, die offiziell als Tierseuchen eingestuft wurden.

Um Medikamenten-Rückstände in Fleisch, Milch oder Eiern ausschließen zu können, ist im Ökolandbau die doppelte gesetzliche Wartezeit zur Weiterverarbeitung der tierischen Erzeugnisse vorgeschrieben. Ist keine Wartezeit angegeben, beträgt sie mindestens 48 Stunden.

Alle Einzeltier- oder Herdenbehandlungen werden von den Landwirt:innen in einem Stallbuch genau aufgezeichnet: Diagnose, Behandlungsverfahren, Medikament, Wartezeit und Zeitpunkt der Behandlung werden dokumentiert. Das Stallbuch sollte jederzeit für die zuständige Kontrollstelle zugänglich sein. 

Der großflächige Einsatz von Antibiotika in der industriellen Tierhaltung trägt wesentlich dazu bei, dass sich antibiotika-resistente Keime vermehren. Langfristig hat dies nicht nur die Ausbreitung antibiotikaresistenter Keime in den behandelten Tierbeständen zur Folge, sondern die resistenten Keime können sich durch Kontakte mit den Tieren auch über das Endprodukt auf Menschen übertragen. Dadurch verringert sich die Wirksamkeit wichtiger Antibiotika auch beim Menschen – die Behandlung schwerer Krankheiten wie beispielsweise Tuberkulose wird dadurch erheblich erschwert. 

Alternative Behandlungsmethoden tragen daher auch zur nachhaltigen Sicherung der menschlichen Gesundheit bei. Es gibt Hinweise darauf, dass in Bio-Betrieben weniger Antibiotika-Resistenzen auftreten. Die Weltgesundheitsorganisation hat die Antibiotika-Resistenzen als eine der großen Gesundheitsrisiken identifiziert und widmet sich Ihnen im Rahmen des “OneHealth”-Ansatzes. Weitere Information dazu gibt es zum Beispiel im Hintergrundpapier von GermanWatch und im Hintergrundpapier von BFDI.

Für alle Landwirt:innen, egal ob bio, biodynamisch oder konventionell, gelten das Tierschutzgesetz und die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Im Tierschutzgesetz sind grundsätzliche Pflichten von Tierhalter:innen zur Vermeidung von Tierleid festgelegt sowie die Anforderung, Tierhalter:innen über Kenntnisse und Fähigkeiten über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres verfügen müssen. Die Nutztierhaltungsverordnung legt fest, dass für die Fütterung und Pflege der Tiere ausreichend viele Personen mit den hierfür erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten vorhanden sein müssen, sowie dass das Befinden der Tiere mindestens einmal täglich durch direkte Inaugenscheinnahme von einer für die Fütterung und Pflege verantwortlichen Person überprüft wird. Soweit erforderlich, sind unverzüglich Maßnahmen für die Behandlung kranker oder verletzter Tiere zu ergreifen sowie ein Tierarzt hinzuzuziehen. Sie gibt zudem spezifische Haltungsvorschriften für Kälber, Legehennen, Masthühner, Schweine und Kaninchen vor. Für andere Tiergruppen – beispielsweise Rinder – gibt es keine Vorschriften.

Die Verordnung (EU) 2018/848 über die ökologische/biologische Produktion gilt für den Ökolandbau und damit auch für die biodynamische Landwirtschaft - in Anhang 2, Punkt 1.5 befasst sich mit der Tiergesundheit. Hier steht die Krankheitsvorsorge an erster Stelle, zudem werden besondere Regelungen zum Einsatz von Arzneimitteln sowie Wartezeiten getroffen.

Die Demeter-Richtlinie setzt weitergehende Vorschriften hinsichtlich der Tierhaltung, Krankheitsvorsorge und der Behandlung von Tieren im Krankheitsfall. Treten Gesundheitsstörungen auf, so müssen unmittelbare Maßnahmen zu ihrer Beseitigung bzw. Linderung eingeleitet werden. Im Krankheitsfall ist die Fürsorgepflicht des Tierhalters und die tierärztliche Indikation ausschlaggebend für die gewählte Behandlungsmethode.

Allopathie (von: allos = anders, gegen, pathos = Leiden): Zur Therapie werden Arzneimittel eingesetzt, die sich gegen die Symptome oder die Krankheit richten: bei Fieber fiebersenkende Mittel, bei Durchfall stopfende Mittel etc.

Homöopathie (von:  homoios = ähnlich, pathos = Leiden): Heilmethode, bei der Krankheiten mit Mitteln behandelt werden, die in höheren Konzentrationen Symptome ähnlich dem Krankheitsbild bewirken würden. Diese Mittel werden hier hochverdünnt eingesetzt mit dem Ziel, die körperliche Eigenregulation oder Regeneration zu aktivieren.

Komplementärmedizin: Diagnose- oder Therapieverfahren, die außerhalb des schulmedizinischen Mainstreams stehen, und die Schulmedizin ergänzen.

Phytotherapie: Pflanzenheilkunde oder Kräutermedizin