Zum 100-jährigen Demeter-Jubiläum trafen sich Annalena Adam, Verbrauchervertreterin bei Demeter, Landwirt Johann Gerdes sowie Vorstand Alexander Gerber im Körnerpark in Berlin-Neukölln zum Gespräch. Thema bei schönstem Sonnenschein waren die Besonderheiten von Deutschlands ältestem Bioverband und die ganz speziellen Beziehungen zwischen Mensch und Tier, Tier und Natur sowie allen untereinander.
Alexander Gerber, 58, Demeter-Vorstand. Nach einer landwirtschaftlichen Lehre in einem Demeter-Betrieb und dem Studium der Agrarwissenschaften promovierte er am Institut für Sozialwissenschaften des Agrarbereichs an der Universität Hohenheim. Ab 2003 baute er den Dachverband „Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft“ (BÖLW) mit auf, für den er bis 2013 als Gesch.ftsführer tätig war. Seit 2013 ist er Vorstand von Demeter Deutschland und seit 2014 Aufsichtsrat der Biodynamic Federation Demeter International.
Alexander: Man kann sagen: Demeter hat „Bio” erfunden! Oder zumindest sehr stark geprägt. Denn der Beginn von Demeter markiert auch den Beginn des Ökolandbaus, wie wir ihn heute kennen: Bäuerinnen und Bauern entwickeln ein Bewirtschaftungssystem mit eigenen, verbindlichen Regeln, deren Einhaltung zertifiziert wird, und zeigen ihre Werte und Ansprüche durch eine gemeinsame Marke nach außen.
Johann: Vor allem die Idee eines möglichst geschlossenen Betriebskreislaufs ist immer noch das Leitbild für den gesamten Ökolandbau. Demeter nimmt dieses Idealbild ernst und schreibt als einziger Verband auch Tierhaltung vor. Idealerweise sollten auf einem Hof nur so viele Tiere gehalten werden, wie er selbst ernähren kann. Gleichzeitig muss die Zahl der Tiere ausreichend sein, damit ihr wertvoller Mist als Dünger die angebauten Pflanzen optimal versorgt. Gerade dieser ganzheitliche Ansatz ist für mich der einzige zukunftsträchtige, denn er basiert auf der bäuerlichen Kreislaufwirtschaft, bei der keine Ressourcen verschwendet werden.
Johann Gerdes, 41, Demeter-Landwirt des Beerfelder Hofs östlich von Berlin, ist auf einem Demeterhof in Niedersachsen aufgewachsen. Nach seiner Ausbildung in Ökobetrieben studierte er Landwirtschaft und Ökoagrarmanagement. Auf rund 30 Äckern baut er verschiedene Kulturen an, darunter Kartoffeln, Leinsaat, Mais, Weizen, Gerste, Roggen, Dinkel, Hafer, Sonnenblumen und Lupinen.
Auf meinem „Beerfelder Hof“ östlich von Berlin bewirtschafte ich 750 Hektar Land und halte über 120 Rinder. Diese ernähren sich von Klee, den ich als Zwischenfrucht anbaue, um den Humusgehalt zu erhöhen und den Boden mit zusätzlichen Nährstoffen für die nächste Fruchtfolge anzureichern. Der Mist – also der durch die Rinder verdaute Klee – wird im Frühjahr und Herbst als Dünger auf den Feldern ausgebracht und führt die Nährstoffe zurück in den Boden. Auf diese Weise schließt sich der Kreislauf, und der Boden bleibt fruchtbar.
Annalena: Besonders ist bei Demeter, dass der Verband schon bald nicht mehr allein für Erzeuger:innen zuständig war, sondern auch Verarbeiter:innen, Händler:innen, Forscher:innen und Verbraucher:innen Mitglieder sind. Als gewählte Vertreterin engagiere ich mich in der Verbandsarbeit für die Gruppe der Verbraucher:innen. Die Verbindung zwischen denen, die Demeter-Produkte erzeugen bzw. herstellen, und denen, die sie am Ende essen, finde ich absolut wichtig. Und zwar heute mehr denn je.
Annalena Adam, 28, ist Gesch.ftsführerin der Landwirtschaftlichen Familienberatung in Bamberg sowie selbstständige Beraterin am Institut für Menschen- und Organisationsentwicklung (IMO Deutschland). Im Demeter e. V. engagiert sie sich ehrenamtlich als Verbraucher-Delegierte.
Annalena: Noch nie zuvor haben Verbraucher:innen so viel Wert auf nachhaltige und gesunde Lebensmittel gelegt, die nicht nur gut schmecken, sondern auch authentisch sind. Demeter-Lebensmittel bieten eine glaubwürdige und wegweisende Alternative zur industrialisierten Landwirtschaft, aber inzwischen eben auch zu anderen Food-Trends wie etwa künstlichen Fleischalternativen. Demeter wurde nicht ohne Grund von Verbraucher:innen in einer repräsentativen Umfrage von YouGov im Auftrag das Magazins „Stern“ zur nachhaltigsten Marke Deutschlands gewählt.
Alexander: Der Demeter-Ansatz, die Tierhaltung zu integrieren und den Mist zu kompostieren, führt zum nachhaltigsten aller Bewirtschaftungssysteme: dem biodynamischen. Der heute bereits 45 Jahre andauernde Versuch des Forschungsinstituts für Biologischen Landbau (FIBL) weist nach, dass Demeter-Landwirtschaft im Vergleich zum Öko-Anbau (und natürlich auch zum konventionellen) die besten Bodenfruchtbarkeits- und Nachhaltigkeitsparameter aufweist: So sind Demeter-Böden stärker durchwurzelt und enthalten mehr Regenwürmer und Mikroorganismen als Bio- Böden oder konventionell bewirtschaftete Böden. Außerdem tritt weniger klimaschädliches Lachgas aus.
Alexander: Ich sehe das nicht als ein Entgegenstehen. In Demeter-Betrieben sind die Tiere in einen Kreislauf eingebettet. Grundsätzlich stellen Veganer:innen jedoch die richtigen Fragen in einem grundlegend falschen Ernährungssystem, in dem Tiere und Ressourcen ausgebeutet werden.
Johann: Die meisten Menschen, die sich vegan ernähren, tun dies aus Gründen des Tierwohls – und davor habe ich Respekt! Bei mir auf dem Hof arbeiten auch zwei Veganer:innen – eine von ihnen will aber nicht ausschließen, in der Zukunft vielleicht doch wieder Tierprodukte aus artgerechter Haltung zu essen.
Annalena: Ethische Bedenken kann man vielen nehmen, indem wir zeigen, welches hohe Maß an Tierwohl die Demeter-Landwirtschaft garantiert. Die biodynamische Haltung ist absolut nicht zu vergleichen mit industrialisierter Massentierhaltung.
Johann: Tiere zu halten, bringt eine hohe Verantwortung mit sich. Die Art, wie ich sie halte, ist eine Frage des Respekts – und zwar bis zum Schluss. Ich muss dafür sorgen, dass auch der Tod der Tiere möglichst sanft gestaltet wird. Auch da bin ich bis zum Ende an der Seite meiner Rinder. Das Ideal ist hier der Weideschuss – ohne jeden Transport, ohne Stress, inmitten der gewohnten Umgebung. Auch wenn ich zugebe, dass der letzte Moment nie einfach ist.
Alexander: Ich verstehe Demeter tatsächlich als die Bewegung im Lebensmittelbereich, die sich allumfassende Gedanken zu allen Dimensionen des Lebendigen macht und den Anspruch hat, im Gleichgewicht mit der Natur sowie mit Respekt vor allem Lebendigen zu handeln. Unser Ansatz zur Tierhaltung will Dinge zum Ausgleich bringen, in eine Balance. Wir sind generell eine Bewegung der Mitte, auch in anderen Bereichen. So stehen wir auch zwischen einer über das rein Materielle hinausgehenden Bindung an Grund und Boden auf der einen Seite und rein wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Anbau auf der anderen.
Alexander: Ich würde nicht behaupten, dass wir die Präparate vollumfänglich verstehen, die im Biodynamischen seit 100 Jahren erfolgreich angewandt werden. Aber wir können – nach wissenschaftlichen Methoden belegt – Effekte beobachten, die auf eine positive, ausgleichende Wirkung hinweisen. Die Präparate, zum Beispiel das berühmt gewordene, mit Dung gefüllte Kuhhorn, sind ganz offensichtlich weder wirkungslos noch Humbug, sondern eine spannende, verbindende Kulturtechnik, die wir uns wissenschaftlich immer weiter erschließen.
Alexander: Demeter bietet heute, wo wir vom Klimawandel, von Umweltzerstörung bedroht sind – und wo es eine wachsende Nachfrage nach nachhaltigen Lebensmitteln gibt –, eine ganzheitliche Philosophie an. Zudem stellen wir Fragen, die über die reine Lebensmittelproduktion hinausgehen – etwa die nach Kooperation und Wertschätzung. Nicht nur der Natur gegenüber, sondern auch unter uns Menschen.
Johann: Gerade in Zeiten, in denen es ökonomisch schwieriger ist, wie nun seit dem russischen Angriff auf die Ukraine, müssen wir in dieser Hinsicht als Gemeinschaft dringend mehr erreichen. Ich erlebe gerade, dass eigentlich gut aufgestellte Kooperationsmodelle wie runde Tische aufgrund des aktuellen ökonomischen Drucks an ihre Grenzen geraten. Das ist schade! Für eine öko-soziale Ernährungs- und Agrarwende brauchen wir Solidarität und belastbare Kooperationen. Und natürlich immer auch die Wertschätzung durch die Verbraucher:innen.
Auch als Betrieb, der nicht selbst an Endverbraucher:innen vermarktet, bin ich darauf angewiesen, einen fairen und auskömmlichen Preis für meine Lebensmittel zu bekommen. Als Demeter-Betrieb erfülle ich weitaus mehr Vorgaben als zum Beispiel Kolleg:innen, die nach EU-Bio wirtschaften. Mit meinem Betrieb erbringe ich sehr wertvolle Leistungen für das Gemeinwohl, etwa für die Artenvielfalt oder sauberes Wasser, aber auch, indem ich Arbeitsplätze schaffe. Damit der Betrieb zukunftsfähig ist, bin ich darauf angewiesen, für meinen Extraaufwand, etwa beim Tierwohl, auch entlohnt zu werden.
Annalena: Als Geschäftsführerin einer Familienberatung für landwirtschaftliche Betriebe erlebe ich in meiner täglichen Arbeit, unter welchem Druck diejenigen stehen, die am Anfang der Wertschöpfungskette stehen. Zentral für echte Wertschätzung ist, dass wir vermitteln, welcher Mehrwert hinter dem Demeter-Label steckt! Wer einmal mit eigenen Augen gesehen hat, mit welcher inneren Haltung, mit welcher Hingabe auf einem Demeter-Betrieb gewirtschaftet wird, wer einmal Kühe erlebt, die ihre Hörner behalten dürfen und mit ihnen untereinander kommunizieren können, der begreift den Mehrwert dieser Art der Landwirtschaft, die bis in die Umgebung hineinwirkt. Die Milch solcher Kühe schmeckt auch nochmals ganz anders. Wenn die direkte Beziehung da ist, dann folgt die Wertschätzung automatisch.
Alexander: Wir brauchen ein Wirtschaftssystem, das auf der einen Seite die unternehmerische Freiheit ermöglicht, auf der anderen Seite aber zu einem sozialen und ökologischen Ausgleich führt. Deshalb ist das Primat für die Wirtschaft eigentlich nicht Freiheit, sondern Geschwisterlichkeit. Also die Idee, dass frei tätige Unternehmen miteinander auf Augenhöhe und zum Wohl aller Beteiligten kooperieren, ohne dass der eine auf Kosten des anderen Gewinn macht. In den letzten 100 Jahren haben wir zahlreiche zukunftsweisende Antworten gefunden, beispielsweise in der Tierund Pflanzenzucht, im verantwortungsvollen Umgang mit Brudertieren von Legehennen, Milchkühen oder -schafen oder durch die Einführung einer vollständig biologischen Fütterung. Doch heute sind Herausforderungen dazugekommen, etwa der Klimawandel oder das Artensterben, aber auch zunehmende Konflikte in der Welt. Wie wollen wir eigentlich miteinander wirtschaften? Meiner Ansicht nach ist es virulenter denn je, Antworten auf diese Frage zu finden.
Johann: Dafür wünsche ich mir von Verbandsseite noch mehr helfende Strukturen, aber auch noch mehr gelebte Geschwisterlichkeit der Mitglieder untereinander. Die habe ich zum Beispiel im Märkischen Wirtschaftsverbund erlebt. Wertschätzung füreinander, ein faires Miteinander – diese Werte machen uns aus, müssen aber immer wieder neu eingeübt und initiiert werden – auch und insbesondere in Zeiten, in denen Konflikte und Krisen dies erschweren. Das Wissen ist da. Wir können das!
Annalena: Nur durch gute und ehrliche Kommunikation, gegenseitige Wertschätzung und ein enges Miteinander gewinnen alle Beteiligten Vertrauen in die Zukunft. Deshalb ist für mich die Frage der Zukunft: Wie schaffen wir es, erlebbare, enge Verbindungen herzustellen? Zum Boden, den wir bewirtschaften. Zum Produkt, das wir essen. Zum Erzeuger, der es für uns erstellt. Wir sind auf einem guten Weg …
Verbraucher:innen können bei Demeter aktiv dabei sein, die Verbandsarbeit mitgestalten und Betriebe in der Region kennenlernen. Du erhältst Einblicke in die Erzeugung hochwertiger Lebensmittel, in Züchtungs- und Forschungsprojekte und wirst zu Demeter-Veranstaltungen – vom Hoffest in der Region bis zur Demonstration in der Hauptstadt – eingeladen. Unterstütze unsere starke Gemeinschaft für eine nachhaltig fruchtbare Landwirtschaft, die den Boden für kommende Generationen ebnet, sich für Vielfalt engagiert und jedes Lebewesen respektiert!
Eine nachhaltige Art der Landbewirtschaftung erfolgt in Kreisläufen und hat dabei immer das große Ganze im Blick. Doch wie kann sie auch wirtschaftlich und damit zukunftsfähig sein? Wie können Landwirt:innen eine Balance finden zwischen Wertschöpfung und Wertschätzung? Aber auch zwischen Selbstausbeutung und Selbstfürsorge? Ein Besuch auf dem Talhof in Heidenheim, dem drittältesten Demeterhof der Welt.
Demeter ist als internationale Biomarke auf allen 7 Kontinenten vertreten und vereint Menschen, die sich für biodynamische Landwirtschaft, nachhaltigen Handel und ökologische Verarbeitung einsetzen.
In Demeter-Obst und -Gemüse steckt mehr drin In einer Zeit, in der Lebensmittel zunehmend anonym und industriell hergestellt werden, wächst der Wunsch nach Produkten, die nicht nur gut schmecken, sondern auch unter guten, nachhaltigen und ehrlichen Bedingungen hergestellt wurden. Boris Voelkel, Geschäftsführer des Familienunternehmens Voelkel, bringt es auf den Punkt: „Unsere Gesellschaft sehnt sich nach Wahrheit und Wärme. Die biodynamische Landwirtschaft bietet genau das – eine echte, authentische Verbindung zu den Lebensmitteln und der Art und Weise, wie sie hergestellt werden.“ Diese Philosophie verkörpert die größte Naturkostsafterei Deutschlands. Diese hegt und pflegt langjährige Partnerschaften mit Landwirt:innen und wertschätzt die besondere Qualität und den charakteristischen Geschmack der Demeter-Rohstoffe durch eine höchst sorgsame Verarbeitung.
Begebt euch auf die Reise, um die Besonderheiten nachhaltiger Landwirtschaft und das lebendige Miteinander auf einem Demeter-Hof zu erforschen!