Nachhaltigkeit muss Messlatte für die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) werden

Die Agrarwende (be-) fördern

Demeter setzt sich für eine Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) ein, die Mensch, Tier und Natur in den Mittelpunkt stellt. 114 Euro zahlt jede*r EU-Bürger*in pro Jahr für die GAP – viel Geld für eine Förderpolitik. Diese Gelder müssen endlich zielgerichtet eingesetzt werden, um den Umbau der Landwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit, Biodiversität und Tierwohl voranzubringen und das Höfesterben zu beenden.

Illustration: Eberle GmbH Werbeagentur GWA

Alle sieben Jahre wird die GAP reformiert. Aktuell läuft der Reformprozess, für die Zeit von 2020 bis 2027 sollen insgesamt 365 Milliarden Euro in die europäische Landwirtschaft fließen. Bisherige sogenannte „Greening-Maßnahmen“ haben sich als unwirksam erwiesen, positive Effekte auf biologische Vielfalt sind kaum nachweisbar. Demeter e.V. setzt sich gemeinsam mit anderen Bioverbänden und Umweltschutzorganisationen für eine stärke Ausrichtung der GAP am Umweltschutz ein.

Es ist höchste Zeit für die Agrarwende: Die Gelder der EU-Agrarpolitik müssen so eingesetzt werden, dass sie gesellschaftlichen Mehrwert bringen und am Gemeinwohl orientiert sein. Die GAP muss eine Landwirtschaft fördern, die die Umwelt schützt, biologische Vielfalt erhält und fördert und Tierschutz betreibt, sie muss wirtschaftliche Perspektiven für bäuerliche Betriebe und ländliche Gemeinschaften bieten.

Die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) ist ein Förderinstrument der EU für die europäische Landwirtschaft. Die GAP hat das größte Finanzvolumen aller Politikbereiche der Europäischen Union (etwa 40% des gesamten EU-Budgets), was auch daran liegt, dass sie die einzige weitgehend auf EU-Ebene vergemeinschaftete Politik ist. Der Finanzrahmen beträgt im Jahr 2018 um die 60 Milliarden Euro. Von 2020 bis 2027 sollen insgesamt 365 Milliarden Euro in die europäische Landwirtschaft fließen. Viel Geld, das bisher aber nicht sinnvoll eingesetzt wird.

Offizielle Seite der EU-Kommission zur GAP

Die GAP besteht aus zwei Säulen.

Die erste Säule enthält Direktzahlungen an Landwirt*innen, diese werden heute weitgehend nach dem „Gießkannenprinzip“ vergeben, also kaum zielgerichtet verteilt. Die erste Säule macht finanziell mit Abstand den größten Teil der GAP aus (75%), Direktzahlungen werden zu 100% von der EU finanziert. Diese Direktzahlungen sind von der landwirtschaftlichen Fläche abhängig, es gilt: Je größer die Fläche eines Betriebes, desto höher die Direktzahlungen. Das kommt hauptsächlich flächenstarken Großbetrieben zugute. Studien haben gezeigt, dass 80% der europäischen Gelder an nur 20% der landwirtschaftlichen Betriebe fließen. Das ist einer der Gründe dafür, dass kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland mittlerweile vom Aussterben bedroht sind. Zwischen 2003 und 2013 hat jeder vierte Betrieb aufgegeben. Zwischen 2010 und 2016 mussten 24.000 Höfe in Deutschland schließen.

Die zweite Säule der GAP (Fond zur Förderung ländlicher Räume, ELER) umfasst Maßnahmen im Bereich der ländlichen Entwicklung. Darunter fallen auch Maßnahmen zum Umweltschutz (etwa im Bereich der Biodiversität) und zum Klimaschutz. Der Ökolandbau wird hierunter gefördert. Die zweite Säule ist im Vergleich zur ersten Säule sehr dünn, sie macht nur 25% des GAP Budgets aus. Damit sind gezielte Maßnahmen z.B. zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit der Landwirtschaft und zur Belebung der ländlichen Räume stark unterfinanziert. Ein weiteres Problem ist, dass die zweite Säule im Vergleich zur ersten Säule vom Bund und von den Ländern kofinanziert werden muss. Weniger finanzstarke Regionen haben dadurch teilweise Schwierigkeiten, Programme zur Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft ausreichend umzusetzen.

Die Welt steckt in einer ökologischen Krise. Auch die Landwirtschaft ist betroffen. Sie steckt in einer Doppelrolle: Einerseits verursacht die Landwirtschaft gravierende ökologische Probleme, andererseits leidet sie unter den Folgen, etwa des Klimawandels, wie der trockene Sommer 2018 gezeigt hat. Die Probleme sind vielseitig: Artensterben und Biodiversitätsverlust, Klimakrise, zu hohe Nitratgehalte im Grundwasser, zu viel Ammoniak in der Luft. Die Ursachen hierfür sind in Überdüngung durch zu hohen Tierbesatz, ausgeräumte Landschaften und hohem Pestizideinsatz zu suchen. Einige konkrete Zahlen: Der Anteil der Landwirtschaft an den Treibhausgasemissionen beträgt etwa 11,5%, rechnet man die indirekten Emissionen mit ein, können ein Drittel bis die Hälfte der gesamten Emissionen in der EU mit der Nahrungsmittelproduktion in Verbindung gebracht werden. 58% der Methan- und 81% der Lachgas-Emissionen stammen aus der Landwirtschaft. Ackerwildkräuter haben im Bestand seit den 1950er/1960er Jahren um 95-99% im Bestand abgenommen. Über die Hälfte der Grundwasser-Messstellen in Deutschland weisen erhöhte oder zu hohe Nitratgehalte auf. 80% der Vogelarten der Agrarlandschaften sind bedroht. Von 460 Wildbienen in Deutschland sind inzwischen 41% bestandsgefährdet.

Heute werden die Preise für Umweltkosten weitgehend externalisiert, das heißt als Steuerzahler*in zahlen die Verbraucher*innen für die Kompensation der Umweltschäden, die die Produktion billiger Lebensmittel verursacht. Der Ökolandbau vermeidet Umweltschäden weitgehend – dadurch ist die Produktion teurer und aufwändiger. So lange keine „Vollkostenrechnung“ durch andere Steuerungspolitiken dafür sorgen, dass die Verursacher für Umweltschäden aufkommen – wie beispielsweise eine Pestizidsteuer – ist ein weiterer Ausbau des Ökoalandbaus nur mit entsprechender Förderung möglich.

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