Als Gemeinschaft solidarisch entwickeln

Demeter-Delegierte beschließen Solidaritätsfonds, Verbot der In-Ovo Selektion bei Hühnerküken, Weiterentwicklung der Zusammenarbeit und fordern praktikable Umsetzung von Gesetzesvorhaben.

Am 24. und 25. April fand die Demeter-Delegiertenversammlung statt. Sich als Gemeinschaft zu entwickeln, die gegenseitige Wahrnehmung zu schulen, konstruktiv umzugehen mit allen Dynamiken, die ein Wachstumsmarkt mit sich bringt – das waren die übergreifenden Themen, die eine Rolle spielten. Vorstandssprecher Alexander Gerber erklärte gemeinschaftliche Prozesse anhand der Kugel des Cusanus, der durch eine Delle ein Stück fehlt: Man muss den fehlenden Teil immer mitdenken und kommt zum Ziel. Die gemeinschaftliche Kultur zu pflegen und den Demeter-Standard nicht zu verwässern – das war die Leitlinie der Delegierten bei allen Abstimmungen.

Demeter beschließt Solidaritätsfonds

Was passiert eigentlich, wenn ein Hof durch Pestizid-Abdrift von einem konventionellen Betrieb seine Ernte nicht mehr als „Bio“ verkaufen kann und das Zertifikat verliert, weil sich Pestizidrückstände nachweisen lassen? Solche Fälle können Betriebe in wirtschaftliche Existenzkrisen bringen, denn Schadenersatzklagen ziehen sich oft lange hin, und andere Hilfen stehen nicht immer zur Verfügung. Abhängig von der letztendlichen Umsetzung kann der neue Vorsorgeansatzes in der EU-Ökoverordnung die Situation noch verschärfen. Um in Härtefällen schnell und unbürokratisch helfen zu können, bildet der Verband nun einen Solidaritätsfonds, in den alle Mitglieder einzahlen.

Aufschwung für das Ökohuhn der Zukunft

Beschlossen wurde auch, dass In-Ovo Geschlechtsbestimmung und die nachfolgende Vernichtung der männlichen, angebrüteten Eier im Demeter-Verband in Zukunft nicht angewandt wird. Damit wurde eine Grundsatzentscheidung gefällt: Die Frage, wie man mit männlichen Tieren in der Legehennenhaltung umgeht, wird bei Demeter ganzheitlich gelöst. Mit der Ökologischen Tierzucht haben Demeter und Bioland die Züchtung des Ökohuhns der Zukunft auf den Weg gebracht – hier werden beide Tiere aufgezogen, Hahn und Henne.

Ökologische Pflanzenzucht bekannter machen

Bereits vorab, im schriftlichen Verfahren, hat der Verband über die Einführung eines „Bioverita – aus biodynamischer Züchtung“ Logo abgestimmt. Dieses Logo wird Produkte auszeichnen, die großteils aus biodynamisch gezüchteten Gemüse- oder Getreidesorten bestehen. Damit unterstützt Demeter die Bekanntheit des Bioverita-Logo als Label für biologische Züchtung. Die unabhängige biologische und biodynamische Pflanzenzüchtung zu stärken wird immer bedeutender, um angepasstes Saatgut für den biodynamischen und ökologischen Landbau zu produzieren.

Führungswechsel

Mit stehenden Ovationen wurde Klemens Fischer nach 10 Jahren aus seiner Position als Demeter-Vorstand verabschiedet. Mehrere Redner lobten seinen Einsatz für Demeter, er war federführend für den Aufbau der Demeter-Marke in der heutigen Form, hat Demeter Journal und Fördermitgliedschaft angeschoben. Mit seiner Überzeugungskraft und seinem Humor hat er zahlreiche neue Mitglieder gewonnen. Mit dem Goethe-Zitat „Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag“ schaut er in die Zukunft, versprach aber auch, weiterhin im biodynamischen Umfeld zu wirken.

Neben dem bleibenden Vorstandssprecher Alexander Gerber wird ab 1. Mai Johannes Kamps-Bender als Demeter-Vorstand den Verband führen. Kamps-Bender bringt unter anderem Kompetenz und Erfahrung in den Bereichen Marketing, Management und praktische Landwirtschaft mit. Er freut sich auf die Zusammenarbeit. Auf seinem Hof arbeitet er mit Zugpferden, und so nutzte er folgendes Bild, um den Delegierten darzustellen, wie er die neue Rolle beginnt: „Bei der Pferdearbeit kommt es nicht nur darauf an, dass man ein gutes Gespann hat, sondern auch darauf, dass man den Pflug richtig anpackt und den Blick nach vorne richtet.“

Gesetzesrahmen darf nicht zum Stolperstein für Bio werden

Viele Delegierte zeigten sich besorgt über die möglichen Auswirkungen der neuen EU-Ökoverordnung und der Düngeverordnung auf die Betriebe. Die Länderbehörden sind aufgerufen, nun an einer praktikablen Umsetzung der Düngeverordnung zu arbeiten. Nitrateinträge ins Grundwasser müssen effektiv verringert werden, dabei müssen die Hauptverschmutzungsquellen angegangen werden. Aber für ökologische Betriebe, die das Grundwasser kaum belasten, braucht es pragmatische Lösungen statt mehr Bürokratie und unpassender Regeln. Auch bei der EU-Ökoverordnung gibt es noch viel Unsicherheit, insbesondere zu den möglichen Folgen des neuen Ansatzes zur Vorsorge gegen Kontaminationen von außerhalb des Betriebes. Hier wird die Politik aufgefordert, bei den nachgelagerten Rechtsakten sowie bei der Umsetzung in den Ländern die Bio-Akteure anzuhören und mitzunehmen.

Kultur des Zuhörens pflegen

Passend zur Forderung nach einem besseren Dialog mit der Politik zitierte Vorstandssprecher Alexander Gerber den Bauern Biju Negi aus Indien: «Heute haben wir aufgehört, auf Bäuerinnen und Bauern zu hören. Wenn wir aufhören zuzuhören, werden wir bald taub, dann werden wir stumm, und bald darauf blind und dann degenerieren wir … Bäuerinnen und Bauern hören ständig zu, sie hören dem Leben zu und sie hören der Erde zu. Bäuerinnen und Bauern säen und ernten Leben, Kultur, Bildung, Medizin, alle Künste – Bäuerinnen und Bauern säen die Menschheit.»