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Was ist uns Landwirtschaft wert?

Was ist die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern wert? Wenig – diesen Eindruck kann man bekommen, wenn man im Supermarktregal oder im Werbeprospekt die roten Billigstpreise für Lebensmittel sieht. Was sie nicht widerspiegeln: Respekt für die Arbeit der Erzeuger:innen, für die Tiere, die Natur. Denn: Ob sie biodynamisch, bio oder auch konventionell Landwirtschaft betreiben – Landwirt:innen investieren viel Arbeit, Herzblut und auch Geld in die Produktion hochwertiger Lebensmittel. Die Pachtpreise für Land waren noch nie so hoch wie heute, auch die Ausgaben für Energie, neue Bauten und Maschinen haben enorm angezogen. Die Erzeugerpreise für viele landwirtschaftliche Produkte hingegen sind oft nicht einmal kostendeckend.

Was ist unsere Landwirtschaft wert?
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Juliane Pieper

„Eins ist sicher: Nur wenn Bäuerinnen und Bauern ein Auskommen haben, können sie weiterhin gute Lebensmittel produzieren und die Umwelt schützen. Doch nach wie vor geht das Höfesterben weiter. So hat allein in Deutschland die Zahl der Höfe in den letzten zehn Jahren um 35.600 abgenommen – jährlich haben also im Schnitt 3.560 Betriebe aufgegeben“, erklärt Antje Kölling, politische Sprecherin von Demeter. Dabei stehe die Landwirtschaft unter Druck wie selten zuvor: „Die Gesellschaft erwartet zu Recht von den Landwirtinnen und Landwirten, dass sie in Artenvielfalt, Tierwohl, Umwelt und Klimaschutz investieren. Zwar ist der Anteil der biologisch bewirtschafteten Flächen auf zehn Prozent gestiegen. Doch es müssen noch viel mehr Betriebe auf ökologischen Landbau umstellen, um das EU-Ziel der Bundesregierung von 25 Prozent Ökolandbau bis 2030 zu erreichen. Aber wie soll die breite Masse der Betriebe Investitionen in Nachhaltigkeit stemmen, wenn ihre Produkte am Ende der Lieferkette zu Preisen im Supermarktregal stehen, die die Erzeugerpreise nicht decken?“

Mehr Transparenz – mehr Wertschätzung

Für Demeter ist klar: Eine zukunftsfähige Landwirtschaft können wir nur dann sicherstellen, wenn Landwirt:innen ihre Ware nicht mehr unter den Produktionskosten verkaufen und damit auf Kosten der Umwelt und des Tierwohls wirtschaften müssen. „Damit die Höfe nicht vor dem Preisdruck in die Knie gehen, braucht es gesetzliche Maßnahmen“, verlangt Antje Kölling. Mit dem Gesetz zum Verbot unfairer Handelspraktiken wurden die schlimmsten Handelspraktiken verboten, eine Ombuds-stelle wird eingerichtet – an diese können sich Lieferant:innen wenden, wenn gegen die Regeln verstoßen wurde. Dies sind aber nur erste Schritte. Nötig ist mehr Transparenz entlang der Lieferkette, davon profitieren letztlich auch Verbraucherinnen und Verbraucher, so die politische Sprecherin von Demeter. Wichtig wäre eine unabhängige Preisbeobachtungsstelle, die die Preisgestaltung offenlegt und Richtwerte für existenzsichernde, kostendeckende Mindestpreise ermittelt. „Ein Verbot des Verkaufs unter Produktionskosten und ein verpflichtendes ‚Hindurchreichen‘ der Kosteninformation durch die Lieferkette sollte geprüft werden“, so Antje Kölling. Billigstpreise führen dazu, dass die Lebensmittel nichts mehr wert sind: Sie kosten nicht nur fast nichts, sondern landen auch eher im Müll. Lebensmittel wertzuschätzen hilft, die Lieferketten nachhaltiger zu machen – und Höfen eine Zukunftsperspektive zu geben.

 

Billigpreise für Lebensmittel sind existenzbedrohend für Bäuerinnen und Bauern. Sie zeigen, dass Lebensmittel und deren nachhaltige Produktion heute nicht ausreichend honoriert werden. Um dies zu ändern, braucht es ein Umdenken in der gesamten Wertschöpfungskette und klare Vorgaben aus der Politik.

 

Antje Kölling, politische Sprecherin von Demeter

Apfelbaum
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Juliane Pieper

Doch eine Frage stellt sich immer, wenn es um Preisfindung geht: Was ist mit denjenigen, die darauf angewiesen sind, Lebensmittel zu Billigstpreisen zu kaufen? Während eine durchweg faire Preisgestaltung für viele Menschen in unserer Wohlstandsgesellschaft nur bedeuten würde, ihre Prioritäten anders zu setzen – also beispielsweise planvoller einzukaufen –, gibt es viele, die auf jeden Cent schauen müssen. Diese soziale Schieflage muss dringend gelöst werden, doch auf keinen Fall darf dies auf dem Rücken der Landwirt:innen, der Umwelt, der Tiere geschehen. Neben neuen regionalen Ansätzen vor Ort, wie sie Ernährungsräte und Projekte der Sozialen Landwirtschaft bereits erproben, ist eine gerechtere und solidarischere Sozial- und Bildungspolitik vonnöten. Gute, gesunde Lebensmittel gehören zu einem guten Leben und sollten allen zugänglich sein.

Nicht auf dem Preisschild: Die wahren Kosten

Die Niedrigstpreise bei konventionellen Produkten führen dazu, dass Preise für Biolebensmittel als sehr hoch empfunden werden. Das Problem dabei: Auf dem Preisschild der konventionell erzeugten Produkte steht nicht der wahre Preis – und so ist der Wettbewerb verzerrt.

Die Billigpreise „lügen“. Sie spiegeln nicht die tatsächlichen Kosten wider. Ihre Folgekosten für Umwelt, Klima und Gesundheit bezahlen wir anderswo, zum Beispiel mit der Wasserrechnung für die Aufbereitung von Trinkwasser, das durch Pestizide und übermäßige Düngung belastet ist, oder für gesundheitliche Probleme durch einseitige Ernährung oder Antibiotikaresistenzen. Wenn die Preisschilder die Folgekosten mit eingepreist hätten, würden sich die Preise für Bio- und konventionell erzeugte Waren kaum unterscheiden.

Das Netzwerk Ernährungsräte erarbeitet Strategien für eine regionale, faire und ökologische Ernährung.