Die Kühe sind die Seele des Demeter-Hofs
Tierschutz braucht Empathie des Menschen
Vielfalt ist Ausdruck des Lebendigen. Für Biodynamiker ist dieses Urprinzip Fixstern. Während fast überall Spezialisierung herrscht, arbeiten Demeter-Landwirte an ihrem Ideal. Deshalb prägen Tiere das Bild der biodynamischen Bauernhöfe. „Vor allem Kühe sind die Seele des Betriebs", meint Nikolai Fuchs, lange Leiter der Sektion für Landwirtschaft an der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft, dem Goetheanum in Dornach (Schweiz).
Keiner ermöglicht die Weiterentwicklung des Hofs zu einem individuellen Organismus nach dem Impuls des genialen Vordenkers Rudolf Steiner besser als Kühe. Die Wiederkäuer verwandeln das Pflanzliche, veredeln Gras zu wertvoller Milch und Fleisch. Und spenden ihren Mist, der dank Biodynamischer Präparate bester Dünger wird und Humus aufbaut. Er erreicht wirkliche Bodenbelebung. Nur im belebten Boden kann die Pflanze aktiv Nährstoffmobilisierung betreiben, was weit mehr ist als Düngung. Aber über dieses vorrangig Nützliche hinaus prägen Tiere mit ihrer seelischen Klangfarbe die Beziehungsstrukturen eines Hofs. Die Berührung einer feuchten Kuhnase, die Geruchsfahne vom dampfenden Misthaufen, das zärtliche Muh zwischen Kuh und Kalb, ein Vogelzwitschern aus der blühenden Hecke am frühen Morgen - all das bringt in uns Menschen etwas zum Schwingen. Für den Landwirt gibt es diese Ebene — und dazu die Herausforderungen, welche Tierhaltung heute häufig zu einer Managementaufgabe machen. Hygieneverordnungen, Gesetze und Arbeitszeitbelastungen haben nicht zuletzt zur Massentierhaltung geführt. Da gilt das Lebewesen auf vier Beinen für viele als Produktionsmittel, ist Tierleid systembedingt.
Das Vermeiden von Schmerz und Schäden allein reicht den Demeter-Bäuerinnen und -Bauern nicht. Sie achten die Würde des Tieres und lassen den Kühen zum Beispiel deshalb ihre Hörner. „Die Beziehungsfähigkeit des Menschen bildet die
Eine Landwirtschaft ist gesund, wenn sie sich den Mist, Dünger durch ihren eigenen Tierbestand geben kann (Rudolf Steiner im Landwirtschaftlichen Kurs)
wirkliche Basis für Tierschutz", betont Nikolai Fuchs. Wer sich dem Tier empathisch gegenüberstellt und fragt: „Wer bist du, was brauchst du?", begnügt sich auch nicht mit guter artgerechter Tierhaltung, sondern entwickelt eine wesensgemäße Form. Das ist Aufgabe und Herausforderung, denn der Arbeits- und Lebensrhythmus wird bestimmt von der Sorge um die Tiere. Das kann die Menschen auf den Höfen belasten. Der Kuhbauer ist auch seelisch sehr angebunden. „Die Emanzipation zur Freiheit entfernt den Menschen vom Tier. Häufig erleben wir heute sogar Furcht vor dem Lebendigen", analysiert Nikolai Fuchs ein Phänomen, das nicht nur die Verbraucher betrifft.
Deshalb wird die Frage, in welches soziale Umfeld wir die Tierhaltung einbetten müssen, in der biodynamischen Gemeinschaft intensiv diskutiert. Knut Ellenberg von Hof Klostersee an der Ostsee hat genau beobachtet: „Ich kann wahrnehmen, wie stark die Kuhherde eines Hofs von dem abhängig ist, was in der Gemeinschaft, die den Hof prägt, an gegenseitiger Begegnung und Harmonie oder eben Disharmonie lebt." Die innere Haltung des Menschen zum Tier wirkt, das bestätigen selbst Veterinäre in Bezug auf die Tiergesundheit. Der Mensch muss als Leiter und Begleiter der Tierwelt seiner Verantwortung gerecht werden. „Ursprünglich hatten wir Haustiere, dann nannten wir sie Nutztiere und ich denke, es ist an der Zeit, wie von Kulturpflanzen eben auch von Kulturtieren zu sprechen", regt Nikolai Fuchs an.