„Unsere drei Höfe und das dazugehörige Land haben wir 1969 aus Privateigentum der Familie Bauck in das Eigentum der gemeinnützigen Landbauforschungsgesellschaft überführt. So können sie nicht vererbt und nicht verkauft werden – und sie gehören keiner Bank. Damit ist für die Zukunft gesichert, dass auf den Bauckhöfen biologisch-dynamisch gearbeitet wird und neben den Familienmitgliedern viele Menschen verantwortlich tätig sein können. Das ist eine große Chance – für die Bauckhöfe, aber auch für diejenigen, die zu uns kommen und hier gute Landwirtschaft betreiben wollen. Sie müssen keinen neuen Betrieb gründen, mit all den hohen Investitionen und Risiken, die damit verbunden sind, sondern können loslegen – und haben die Freiheit, Ideen auszuprobieren“, erklärt Carsten Bauck.
Der 43-jährige Demeter-Landwirt lebt und arbeitet auf dem Ursprungshof in Klein Süstedt in der Nähe von Uelzen. Hier begann 1931 die Geschichte des Bauckhofs mit echten Pionieren: Wilhelmine und Eduard Bauck stellten damals – lange, bevor der Begriff „bio“ geprägt wurde – als eine der ersten ihren Bauernhof auf die Biodynamische Wirtschaftsweise um. So visionär Urgroßvater und -mutter die Demeter-Landwirtschaft der einsetzenden industriellen Herangehensweise mit dem aufkommenden Kunstdünger und Tiefpflug entgegensetzte, so visionär ist auch die heutige Generation in diesem modernen Betrieb. Genau an diesem Ort begann vor zehn Jahren eine zweite Revolution, die bis heute weite Kreise zieht: Carsten Bauck und Yanic Arndt – die beiden Geschäftsführer des Bauckhofs Klein Süstedt – rückten die Brüder der Legehennen in die Aufmerksamkeit, die ganz selbstverständlich von den Brütereien aussortiert und vergast wurden (bis heute werden übrigens jährlich noch 45 Millionen männliche Küken nach dem Schlupf getötet). Unvereinbar mit ihren eigenen ethischen Ansprüchen! So sieht Carsten Bauck es auch heute: „Der Umgang mit diesen Bruderhähnen, die aus rein wirtschaftlichen Gründen getötet werden, und als Abfall einer Geflügelhaltungsindustrie gelten, ist ein Armutszeugnis für die Gesellschaft.“ Zusammen mit Vertreter*innen aus dem Naturkostfachhandel gründete er und Yanic Arndt 2013 die Bruderhahn Initiative (BID), die es geschafft hat, das Thema der getöteten Bruderküken in der Gesellschaft sichtbar zu machen.
Hähne in der Pubertät
Viel frische Luft und Platz für die Bruderhähne, die aufgezogen werden, anstatt aussortiert.
Die Idee: Mit vier Cent pro Ei subventioniert die Henne die Aufzucht eines Bruderhahns, der leben darf und 22 Wochen aufgezogen wird. Dann wird er geschlachtet. Nach einem guten Leben im sogenannten „Männerwohnheim“, einem luftigen Hühnerstall mit Wintergarten, viel Platz und Auslauf unter zahlreichen Pappeln. Wenn man die munteren, neugierigen und stolzen Hähne sieht, will man sich nicht vorstellen, dass sie nicht hätten leben dürfen. Sie – laut Carsten Bauck „alles Jungs in der Pubertät und so verhalten sie sich auch!“ – sitzen auf verschiedenen Höhen auf Stangen im Stall oder erkunden in Grüppchen draußen das weitläufige Gelände, scharren, picken Futter auf. Sie schütteln ihr Gefieder, flattern und krähen mit Hingabe. Einer lauter als der andere. „Testosteron“, kommentiert Carsten Bauck. Für ihn ist die Bruderhahnaufzucht so lange eine Brücke, bis die Zucht der Zweinutzungshühner der Ökotierzucht (ÖTZ, siehe Artikel "Alt & neu") so weit gediehen ist, dass es den Bruderhahn nicht mehr geben muss. Nicht weil er etwa vor dem Schlupf aussortiert wird, wie bei der Geschlechtsbestimmung im Ei, sondern weil die Hähne eines solchen Zweinutzungshuhns als Fleischtiere ökologisch und zugleich wirtschaftlich aufgezogen werden können und nicht von den eierlegenden Schwestern querfinanziert werden müssen. Eine Herde ÖTZ-Hühner gibt es bereits auf dem Bauckhof. Carsten Bauck und Yanic Arndt waren 2015 Mitinitiatoren der ÖTZ, eine gemeinsame Initiative von Demeter und Bioland, die das Ziel hat, ein echtes Zweinutzungshuhn für den Ökolandbau zu züchten: „Ein Huhn, das noch genügend Eier legt für einen Biobetrieb und ein Hahn, der Fleisch ansetzt – damit sind die Brüder nicht mehr ökonomisch ‚wertlos‘ und müssen auch nicht mehr von der Henne querfinanziert werden.“
Das Ende mitdenken
Carsten Bauck denkt alles bis zum Ende. Auch das Leben der Tiere, die er hält. Ihm ist es ein echtes Anliegen, auch über das Sterben seiner Tiere zu sprechen – und damit auch über das Töten. „Heute ist das Töten ein Tabuthema! Früher, noch vor 40 Jahren, wurde ganz selbstverständlich darüber gesprochen, wie die Tiere getötet werden, zum Beispiel Hühner, die die Menschen zum Eierlegen hielten und die irgendwann als Suppenhuhn im Kochtopf landeten. Dafür waren jedoch andere Themen wie die Sexualität tabu. Heute ist es umgekehrt. Über das Töten der Tiere spricht keiner und niemand will davon hören, während Sexualität allgegenwärtig ist. Dabei ist es wichtig, über das Töten zu sprechen. Denn nur dann diskutieren wir: Was ist der bestmögliche und respektvollste Weg, ein Tier zu töten? Ich möchte das Thema in den Fokus rücken und es hier auf unserem Betrieb so gut wie möglich tun.“ Das fängt schon an, wenn die Tiere gefangen werden – das geschieht durch die Mitarbeiter*innen, die auch für ihre Aufzucht verantwortlich sind. Und das nachts, wenn sie gerade ihre Ruhephase haben, was zu bedeutend weniger Stress führt. In der Schlachterei, die nur 100 Meter von den Aufzuchtställen entfernt liegt, zeigt Carsten Bauck den „Warteraum“, in dem für Ruhe gesorgt wird. Ihm ist es wichtig, dass diejenigen, die die Schlachtung vornehmen, nicht abgestumpft sind, sondern jedem Tier Respekt entgegenbringen.
Dass es Raum für solche Gedanken und Initiativen gibt, dafür steht seiner Meinung nach der Bauckhof – und das hat wieder mit der Gemeinnützigkeit zu tun. „Bauckhof, das ist ein Zusammenschluss von Menschen, die unter diesem Namen arbeiten – und das tun sie richtig gut, mit hohen Idealen und Anspruch. Sie alle kommen aber natürlich nicht nur von hier. Ich bin mir sicher: Würden nicht neue Menschen auf dem Bauckhof in Verantwortung arbeiten, sondern nur Bauck-Nachfahren, wären wir heute ganz bestimmt nicht da, wo wir jetzt sind.“
Eine Bewegung
Ideale pflegen, Ideen verwirklichen – diese Freiheit bietet der Bauckhof all jenen, die sich hier einbringen. Alle Geschäftsführer*innen, die die drei landwirtschaftlichen Betriebe jeweils in Betriebsgemeinschaften führen, sind Pächter*innen der Höfe und des Landes. Die Konstruktion mit der gemeinnützigen Landbauforschung wurde vor 50 Jahren durch den Vorläufer der GLS-Bank ermöglicht. Das anthroposophische Weltbild reicht nicht nur bis in die Geldströme hinein, sondern auch in die Organisation. Die Gesellschafter*innen der Landbauforschung, die regelmäßig über die Geschicke des Bauckhofs mitentscheiden und beraten, speisen sich aus anderen Demeter-Bäuer*innen, Waldorfpädagog*innen oder Vertreter*innen anthroposophischer Wirtschaftsunternehmen. „Die Idee ist nun 50 Jahre alt, doch moderner denn je! Der Bauckhof begründet sich nicht auf Landbesitz und Erbfolge, sondern ist eine Bewegung!“, sagt Carsten Bauck.