Aus der Bundesliga in den Bioladen

Eine kleine Warnung sei vorausgeschickt: Dieser Bericht kann Ihr Leben verändern. Nicht revolutionär auf den Kopf stellen, aber neue, feine Akzente im Einkaufsverhalten und bei Essgewohnheiten setzen. Warum sollte es Ihnen anders ergehen als den Spitzensportlern wie etwa den Bundesliag-Profis, mit denen Aleksandra Keleman im Rahmen ihrer Ernährungsberatung durch Naturkostfachgeschäfte bummelt? Für das Demeter Journal hat sie gemeinsam mit der erfolgreichen Marathonläuferin Julia Galuschka und der ambitionierten Freizeitsportlerin Nina Weis die Regale im „Naturkostmarkt Basic“ in Frankfurt inspiziert.

Moderation Renée Herrnkind

Einkaufen ist häufig Routine. Wer schaut schon die Zutatenliste genau durch und folgt klaren Kriterien? Damit Profi-Sportler entscheidungsfähig und selbstverantwortlich in Bezug auf ihre Ernährung werden – schließlich ist ihr Körper ihr wichtigstes Kapital – berät die 23jährige Frankfurterin direkt in der Einkaufsstätte, also in ausgewählten Bioläden. Manche behaupten schon, sie habe die Sportwelt auf den Kopf gestellt. Fußballer und Eishockeyspieler packen mit ihr Superfood und Naturbelassenes in den Einkaufswagen, Physiotherapeuten empfehlen sie und Nationalmannschaftskoch Holger Stromberg folgt ihren Tipps für vegane Ernährung. Vielleicht doch kein Wunder, schließlich konzentriert sich die Studentin des Wirtschaftsingenieurswesens seit fünf Jahren auf das Thema „Auswirkung der Ernährung auf die Leistungsfähigkeit“. Damit beschäftigt sich auch Nina Weis fast schon berufsmäßig, denn sie arbeitet beim Demeter e.V. in Darmstadt. Für die Lehrerin Julia Galuschka, aktuelle Deutsche Meisterin in ihrer Altersklasse im Marathonlauf, ist die Ernährung ein Teil ihres Erfolgs.

Podcast zum Nachhören

Wie passt es zusammen, dass eine Beraterin, die auf vegane Ernährung setzt, ausgerechnet Demeter-Produkte besonders schätzt?

AK: Ich erkläre meinen Sportlern immer, dass Bio nicht gleich Bio ist. Demeter hat nun mal die strengsten Richtlinien. Und ich bin davon überzeugt, dass biodynamisch die erträglichste Tierhaltung hat, auch wenn ich als Veganerin eigentlich gar keine Nutztiere in der Landwirtschaft sehen möchte. Auch wenn man sagt, man muss den Boden mit Tiermist düngen, muss man die Tiere dafür ja nicht schlachten. Ich versuche, differenziert zu schauen. Eigentlich bin ich ja ursprünglich aus gesundheitlichen Gründen vegan geworden, nicht wegen Ethik oder Tierleid. Demeter ist in allen Belangen besser und auch bei der Verarbeitung so naturbelassen wie möglich. Sportler, für die der Körper ihr wichtigstes Kapital ist, müssen einfach auf höchste Qualität achten.

NW: Ich esse kein Fleisch, keinen Fisch, keine Gelatine – aber ab und zu Pizza mit geschmolzenem Käse, das liebe ich. Milch bekommt mir nicht, die brauche ich auch nicht. Mein Hautbild war übrigens sofort besser als ich konsequent vegan gelebt habe.

JG: Meine Leistungssteigerung im Marathon hängt sicherlich auch mit der Ernährung zusammen. Ich lebe weitgehend vegan, esse aber Eis, manchmal auch Bio-Käse, wenn er auf dem Salat ist. Vor vier Jahren hatte ich eine Lebensmittelvergiftung durch Fleisch, danach dann Ekel vor Fleisch. An einem ersten Probe-Vegan-Wochenende habe ich neue spannende Produkte kennen gelernt und das dann beibehalten. Wenn die Physiotherapeuten sich immer über meine so geschmeidige Muskulatur wundern, ist das bestimmt auch ein Indiz, dass ich ernährungsmäßig auf dem richtigen Weg bin.

Was ist der Vorteil einer veganen Ernährung?

AK: Wenn Leistungssportler direkt auf vegan umstellen, also konsequent nicht nur Fleisch sondern alle Milchprodukte weglassen, ist die gute Wirkung sehr schnell spürbar. Sie berichten schon nach wenigen Wochen von deutlicher Leistungssteigerung.

JG: Ich war wirklich Milchabhängig. Heute trinke ich vielleicht einmal im Jahr noch Milch, im Urlaub auf der Hütte, ganz frisch gemolken. Seitdem ich Milch weglasse, bin ich nicht mehr verschleimt. Ich hatte mich lebenslang ständig geräuspert, das ist jetzt komplett weg.

AK: Seit fünf Jahren war ich kein einziges Mal mehr erkältet und auch mein Heuschnupfen ist weggegangen nach der Ernährungsumstellung.

NW: Ich habe ja zweieinhalb Jahre vegan gelebt so ab 2011. Jetzt esse ich wieder Käse. Den habe ich wirklich vermisst, und zumindest damals gab es auch keine gescheite Alternative. Vielleicht ist mein Geschmackssinn durch die weinbauliche Ausbildung besonders fein entwickelt und mein Anspruch an den Geschmack höher als bei anderen.

AK: Inzwischen finde ich phantastische Alternativen etwa aus fermentiertem Soja. Wenn man Käse als Delikatesse sieht, sollte man den Cashewkäse probieren, der ähnlich geimpft wird und reift wie Cambembert, oder den Mozzarella-Ersatz aus gekeimtem Reis. 

AK: Die Rückmeldungen der Sportler sind eindeutig: Sie schlafen besser, Regeneration geht schneller, dadurch wird härteres Training möglich und häufig wird weniger Verschleimung beobachtet. Das ganze Körperbild verändert sich. Weniger teigig. Alle werden spritziger und auch die Verletzungsanfälligkeit sinkt. Sogar weniger Muskelkater selbst nach härterem Training steht auf der Positivliste. Für Profi-Sportler ist der Körper das wichtigste Kapital. Aber auch für „normale“ Menschen ist der Zusammenhang von Ernährung und Krankheiten, von Lebensqualität, Genuss und Sinnesfreude deutlich, wenn man anfängt, darauf zu achten. 

Bleiben die Profis dann auch bei der neuen Ernährungsform?

AK: Es gibt durchaus Abbrecher. Der Grund ist fast immer die Bequemlichkeit, der innere Schweinehund. Selbst die, die abbrechen, sagen, dass sie sich während der Ernährungsumstellung besser gefühlt haben. Profi-Sportler kaufen erschreckend häufig schnell an der Tanke oder gehen in den Schnellimbiss. Vielen ist der Weg in den Bioladen schlicht zu weit.

Brauchen Sie vielleicht mehr Vorbilder, Ermutiger?

AK: Das Wissen ist inzwischen auch bei vielen Trainern vorhanden. Am offensten sind die Physiotherapeuten. Die merken die Veränderung sofort. Unter ihren Händen spüren sie den Unterschied in der Muskulatur, weniger Spannung und Verhärtung. Auch Athletiktrainier sind oft sehr offen. Und ehrlich, Krämpfe nach 70 Minuten Fußballspiel dürften eigentlich bei einem Profi nicht sein. Wer einen Blick dafür entwickelt hat, sieht zum Beispiel, wie Messi von der inzwischen rein pflanzlichen Ernährung profitiert. Ihn hat sein Arzt dazu gebracht. Meine Sportler sagen mir auch, dass sie bei bewusster Ernährung keine Aufputschmittel wie Red Bull oder Espresso mehr brauchen. Sie beobachten, wie ihre geistige Fitness besser wird. Sie erleben sich fokussierter, reaktionsschneller, bleiben länger konzentriert, brauchen weniger Pausen.

JG: Das Müdigkeits-Loch nach dem Essen kommt nicht.

AK: Wenn das Essen keine Energie gibt, sondern eher raubt, stimmt doch was nicht.

NW: Ich merke unmittelbar, wenn mein Rohkostanteil höher ist, das macht einen Riesenunterschied aus.

JG: Dennoch, es ist nicht ganz so leicht als Sportler diesen Weg zu gehen. Mal abgesehen vom Aufwand wirst du damit häufig auch zur Außenseiterin. Wenn ich die Weizennudeln in Rahmsoße mit Pilzen am Vorabend des Wettkampfs stehen lasse gucken manche im Team schon noch irritiert. Ich kann mir vorstellen, dass es im Mannschaftssport eher noch krasser ist als in der Leichtathletik, wo wir ja meist Einzelkämpfer sind.

AK: Viele Clubs sind schon offener geworden. Und auch wenn es manche nicht hören möchten, RB Leipzig ist besonders weit in Sachen Ernährung. Die haben sogar einen Kräutergarten am Trainingszentrum und testen ihre Spieler auf Unverträglichkeiten.

Welche Sportarten sind noch dabei?

AK: Neben den Fußballer*innen Eishockeyspieler, Handballer, Tour de France-Fahrer, Eisschnellläufer, Hockeyspieler, Wasserballer, Basketballer. Es gibt keine Sportart, die besser oder schlechter auf das Thema anspringt. Wobei sich die 1. Bundesliga Hockey Herren Mannschaft Blau-Weiss Berlin mit bereits sechs veganen Spielern und dem veganen Trainer positiv abhebt. Die schönste Erfahrung in der Sportwelt war für mich der Fußballweltmeistertitel 2014, weil die deutsche Mannschaft innerhalb ihrer ja schon ausgefeilten Ernährung auch noch die leichter zu verdauenden Pflanzenmilchprodukte verwendet hat.

In der Frische-Abteilung mit reichlich Obst und Gemüse wird es gleich nach dem ersten Kennenlernen der drei jungen Damen lebhaft.

Was empfiehlst du für alle Lebenslagen?

AK: Grüne Smoothies mit möglichst viel Blattgrün sind wichtig und dürfen eigentlich an keinem Tag fehlen. Da passt Spinat gut, aber wegen der Oxalsäure bitte immer abwechseln und mal durch Petersilie ersetzen oder Grünkohl nehmen, den mag ich sehr gerne.

Große Mengen an Oxalsäure (Oxalat) aus der Nahrung fördern vor allem die Bildung von Nierensteinen und Hyperoxalurie. Oxalsäure findet sich gebunden an Natrium-, Kalium- und Ammoniumionen in fast allen Pflanzen. Diese Bindungen sind Salze und nennen sich Oxalate. In Milch und Fleisch sind sie gar nicht oder kaum vorhanden. Die meisten Pflanzen bringen nur geringe Oxalatmengen mit. Manche sind besonders reich damit versorgt wie Spinat, Rharbarber, Mangold, Sauerampfer, Portulak, Amaranth. Mehr Infos

NW: Wie gut muss denn der Mixer sein?

JG: Da gibt es ja Porsche-Modelle und weniger teurere. Ich komme mit einem aus der gehobenen Mittelklasse sehr gut zurecht. Er hat einen Glasbehälter, das war mir sympathisch. Nach dem Sport ist ein Shake für mich genau richtig. Gern nehme ich auch Rucola und Kräuter vom Balkon dazu. Neu entdeckt habe ich Postelein.

AK: Super, denn dann ist alles optimal frisch. Als Ziel nenne ich immer 80 Prozent grün im Smoothie. Am Anfang kann durchaus mehr Obst drin sein. Meine neueste Entdeckung sind übrigens Wildkräuter. Bisher habe ich Zitronenmelisse in Töpfen gekauft und jetzt habe ich sie beim Radeln am Wegesrand entdeckt.

RH: Für eure eigenen Ernten ist das Saatgut von Bingenheim und den Kultursaat-Züchtern ja genau richtig. Da gibt es keine Hybridsorten, sondern fruchtbare Kräuter und Gemüsesamen, vitale Sorten aus biodynamischer Züchtung. 

NW: Auf meinem Balkon ziehe ich daraus Basilikum, Tomaten, Salbei

AK: Ich habe das Glück, im Schrebergarten meines Vaters ernten zu dürfen. Mit der Züchtung habe ich mich bisher noch gar nicht beschäftigt. Es gibt immer wieder was zu entdecken.

Worauf sollten wir noch achten?

AK: Was viele gar nicht wissen: Obst immer vor Gemüse essen, denn es hat die kürzeste Verdauungszeit. Als Nachtisch ist es also eher suboptimal. Und kein Obst mit Getreide gemischt essen. Das vertragen die meisten Menschen eher nicht so gut. Jeder, auch Alles-Esser, sollte sich über seine Versorgung mit Vitamin B12, D3 und den Omega-Fettsäuren schlau machen.

Aleksandra Keleman erklärt „ihren“ Sportlern gern ausführlich, dass B12 nicht von Säugetieren gebildet wird, sondern von Mikrobakterien, die sich sowohl im Körper als auch auf gesunden Böden befinden. Über die pflanzliche Nahrung aufgenommenes Methylcobalamin B12 aus Mikrobakterien sei hitzelabil, selbst pflanzliche  B12 Tropfen sollten immer gekühlt gelagert werden. Bei sehr natürlicher Ernährungsform, also viel Essen aus der Natur, viel Rohes, Ungewaschenes scheine laut Dr. Schweikart eine B12 Supplementierung nicht immer vonnöten zu sein. www.vitaminb12.de/vegan

B12 Versorgung sei auch bei Alles-Essern nicht zwingend gewährleistet. Die B12 Aufnahme hänge auch davon ab, wie gesund der Darm-Trakt ist (Stichwort Intrinsinc Factor).

Aleksandra Keleman als Veganerin bevorzugt B12 Methylcobalamin Tropfen einzunehmen anstatt über den Umweg der Futtergänzung beim Tier das hitzestabile Cyanobolamin B12. Auch Wildpflanzen, mit B12 angereicherte Zahnpasta oder Pflanzenmilchsorten findet sie interessant. Mehr dazu bei Eric Hübner www.lustaufvegan.de

Beim Omega3 zu Omega6-Verhältnis  sollte es ihrer Meinung nach im schechtesten Falle 1:4 stehen - also je mehr Omega3 und je weniger Omega6 desto besser. Die derzeitigen durchschnittlichen Ernährungsgewohnheiten beinhalten zu viel entzündliches Omega6 und zu wenig anti-entzündliches Omega3. Mehr Infos hier. Besonders gute Omega3 zu Omega6 Verhältnisse haben Leinsamen 4:1, Hanfsamen 1:3 und Chiasamen 1:3

Zudem macht Aleksandra Keleman darauf aufmerksam, Eisenhemmer in der Nahrung meiden: also Eier und Milchprodukte (Albumin, Kasein, Lactotransferrin sind Eisenhemmer), Kaffee (Polyphenole), ungekeimte Samen (Phytinsäure).

JG: In unserer facebook-Gruppe topathletsvegan war ja eine interessante Diskussion zum Reifeverhalten von Obst. Unreif geerntetes Obst reift demnach nicht etwa nach sondern geht schon in den Abbauprozess und wirkt dann Säue bildend im Körper.

Aleksandra Keleman erklärt das so: Als "natürlicher" Reifeprozess wird das Reifen am Baum bezeichnet, so wie es von der Natur vorgesehen ist. Dabei werden der Frucht bis zur Ernte Mineral-  und Nährstoffe zugeführt. Als "nicht natürlich" wird ein künstlicher Reifeprozess nach der Ernte bezeichnet. Er braucht die Manipulation von Temperatur und den Entzug von oder die Begasung mit Ethylen. So wird dann diese künstliche Nachreifung an Transport- und Lagerbedürfnisse angepasst. Dazu werden die Früchte unreif geerntet und während des Nachreifeprozesses keine weiteren Mineral- und Nährstoffe zugeführt. Schon im Geschmack lässt sich der Unterschied zwischen natürlich gereiften und künstlich reif gemachten erkennen. Das Wissen über die genauen Prozesse bei der Reifung ist noch ziemlich lückenhaft. Ich sehe den Geschmack als ein evolutionär begründetes, wichtiges Kriterium zur Beurteilung des Wertes einer Frucht.

AK: Ja, das stimmt: Natürlich ist es am besten, sonnengereiftes Obst zu essen. Ich weiß, das geht nicht immer. Und du kannst es etwas ausgleichen, wenn du Kräuter zu den nicht reif geernteten Obst-Angeboten isst. Sie wirken basisch – und du wirst auch viel schneller satt.

JG: Erst habe ich gedacht das klingt ja schräg. Aber ich kombiniere das jetzt und finde es richtig gut, auch im Smoothie.

AK: Vor allem bei Sportlern ist es extrem wichtig, wirklich häufiger Obst oder Paprika zu essen, damit die erhöhte Anforderung an die Vitamin-Versorgung erfüllt wird.

Die drei schlendern weiter zu den Fruchtaufstrich-Gläsern.

AK: Früher habe ich ja die 70 % Frucht mit Agavensirup empfohlen. Heute sehe ich das kritischer, denn Agavendicksaft besteht zum größten Teil aus Fructose, die von der Leber und im Darm aufgespalten werden muss. Inzwischen ist Dattelsirup als Süßungsmittel mein Favorit, den kann jeder ganz einfach selber machen. Getrocknete Medjoul-Datteln in Wasser einweichen, mitsamt dem Wasser in den Mixer geben, in ein Glas füllen - ist im Kühlschrank eine Woche haltbar. Ich komme immer mehr dazu, wirklich so wenig verarbeitete Lebensmittel wie möglich zu bevorzugen. 

JG: Also auch keine fertige Dattelsüße?

AK: Wenn du wirklich was Fertiges zum Süßen willst, dann eher Kokosblütenzucker. Der hat einen niedrigen glykämischen Index. Ich lerne ja immer dazu und meine Empfehlungen verändern sich deshalb auch ständig. Und ich sage nie, ich weiß wie es geht. Jeder entscheidet für sich.

Das Konzept "glykämischer Index" ist umstritten, erklären die Unabhängigen Gesundheitsberater vom UGB in Gießen. Verschiedene Wissenschaftler glauben, dass sich durch die "richtigen" Kohlenhydrate möglicherweise Diabetes und koronare Herzerkrankungen vorbeugen lassen. Mehr Infos

Und woran merke ich was mir gut tut oder was eher Gewohnheit und Lust geschuldet ist?

AK: Deutliche Hinweise sind viel Durst nach dem Essen oder Müdigkeit. Dann weißt du, es war nicht optimal. Bei Sportlern empfehle ich 80 Prozent Rohkostanteil. Damit regenerierst du schneller, hast einen besseren Sauerstofftransport und Stoffwechsel.

Im Ladenverlauf folgen Pseudogetreide und die große Palette an Nussmus.

AK: Ich liebe Buchweizen, natürlich gekeimt, das geht ja blitzschnell. Aber ohne Obst bekommt er mir besser als mit. Deshalb trenne ich es jetzt. Esse erst das Obst, mache dann Ess-Pause (die sind ohnehin sehr wichtig) und später kommt der gekeimte Buchweizen dran.

JG: Seitdem ich rohes Mandelmus aus gekeimten Mandeln probiert habe esse ich kein anderes mehr. Und wenn ich das in eine Dattel fülle ist das wie eine Praline für mich. Wie stehst du als Veganerin eigentlich zu Honig? Mein Zaubermittel am Marathontag ist ja der Hirsebrei aus Flocken. Und der schmeckt mir am besten mit Honig.

AK: Schwierige Frage, denn natürlich sind wir auf Bienen als Bestäuber angewiesen, um Früchte zu ernten. Da bin ich wirklich ambivalent. Massenproduktion von Honig lehne ich aus ethischen Gründen ab.

Warum ist das Keimen so wichtig?

AK: Gekeimtes Getreide ist eine Entdeckung für mich, ich bevorzuge es wirklich. Der Keimprozess baut Phytinsäure ab. Phytinsäure ist ja auch ein Mineralstoffblocker. Und ich beobachte eine bessere Verdaulichkeit bei gekeimtem Getreide. Selbst Quinoa oder Reis für ein Gemüsecurry lasse ich vor dem Kochen keimen. Bei mir ist es so, dass ich eher im Winter koche als im Sommer. Da habe ich mehr Lust auf Rohes und das ist auch gut so. Die Goldkeimlinge sind für mich übrigens das bestes Produkt des Tages (lacht). Sie sind so schön knusprig. Wenn du Buchweizen selber keimst, ist der eher weich und viele wollen es knacken hören. Übrigens fände ich die pikanten Brotaufstriche noch besser, wenn sie mit angekeimten Sonnenblumenkernen hergestellt würden.

Müsli mit gekeimten Körnern oder Flocken wäre doch mal ein tolles neues Demeter-Produkt – auch wenn selber keimen lassen sicherlich billiger ist. Übrigens muss niemand Pflanzenmilch-Produkte kaufen. Meine Buchweizenmilch mache ich mir inzwischen selbst, weil ich auch nicht zu viele Getreidearten mischen will. Gekeimten Buchweizen gebe ich dafür mit Datteln und Wasser in den Mixer. Diese Getreidemilch kommt dann in mein Müsli. Das geht natürlich auch mit selbst gemachter Hafermilch, die muss noch nicht mal gesüßt werden.

Aleksandra Keleman begründet, warum sie Müsli mit gekeimtem Getreide bevorzugt: Die Phytinsäure in den ungekeimter Samen raubt dem Körper Calcium, Magnesium, Zink, Eisen. Durch das Keimen wird Phytase in Gang gesetzt, Phytinsäure also abgebaut. Aus Fetten werden wertvolle Fettsäuren. Aus schwerverdaulichen Speicher- und Kleberproteinen wie etwa Gluten werden wertvolle freie Aminosäuren. Der Vitamin- und Enzymgehalt steigt stark an. Keimen baut Lektine ab. Lektine aus ungekeimten Samen fördern das leaky-gut-syndrom, machen den Darm durchlässiger für Schadstoffe. Auch Allergenes potential wird durch Keimen abgebaut.

Nina Weis ist schon bei den Trockenfrüchten: Für diese Mangos von Flores Farm habe ich damals den Demeter-Vertrag abgeschlossen. Vielleicht liebe ich sie deshalb so?

JG: Richtig reife Mango kriegst du hier ja nicht, bei mir reifen die im Keller nach. Und das ist ja eher zweifelhaft von der Qualität her. Ich esse jetzt auch keine Bananen mehr, weil die immer unreif herkommen. Das war mir früher unvorstellbar, obwohl ich sie gar nicht gut vertragen habe.

AK: Den Spitzen-Sportlern, die es sich finanziell leisten können, empfehle ich wirklich Flugobst. Das kommt vollreif zu uns und ist ein Riesen-Unterschied im Geschmack und in der Wirkung der Inhaltsstoffe. Am besten ist doch, das zu ernten, was hier wächst. Ideal für die Klimabilanz ist natürlich nach wie vor saisonales, regionales Obst und Gemüse. Und auch ausreichend zur Deckung unseres Nährstoffbedarfs. Wir sind weder auf Flugobst noch auf Schiffsobst angewiesen. Mir geht es hier wirklich nur um den leistungsfördernden Aspekt.

Wie steht es mit den Öl-Angeboten?

AK: Leinöl aus angekeimtem Lein wird nicht so schnell ranzig und ist top in den Inhaltsstoffen. Am besten finde ich rohes Kokosöl zum Braten. Und das ist auch gut für die Haarspitzen – einfach vor dem Waschen damit einmassieren, eine Super-Haarkur.

Was sagt ihr zu Fertigprodukten?

JG: Meist schmeckt mir selbst gekocht einfach besser.

AK: Selber kochen ist natürlich immer besser, aber wer vorher nur Burger im Imbiss geholt hat, ist bei den biodynamischen Tiefkühlangeboten oder Suppen und Aufläufen natürlich schon viel besser dran. Wichtig ist mir, dass Demeter keine Aroma-Zusätze erlaubt, da wird der Geschmackssinn nicht korrumpiert. Und Zitronensäure wird bei den Demeter-Herstellern auch nicht verwendet. Da schaue ich genau hin und erkläre den Sportlern jeden einzelnen Inhaltsstoff.

Industriell stellt man Citronensäure durch Fermentation zuckerhaltiger Rohstoffe wie Melasse und Mais her. Für die Fermentation werden Aspergillus niger-Stämme verwendet. Vor allem in den USA und in China kommen oft transgene Varianten des Schimmelpilzes zum Einsatz, in Europa ist dies nicht gestattet

Was ist wichtig beim Thema trinken?

JG: Rote Bete Saft muss sein, denn damit steigere ich die Verfügbarkeit von Sauerstoffgehalt im Blut. Aus samenfesten Sorten, milchsauer vergoren. Und natürlich Wasser. Rote-Bete Saft macht leistungsfähiger und fördert nach harten Einheiten die Regeneration. Eine Studie hat nachgewiesen, warum in Roter Bete so viel Power steckt.

Wer dazu mehr wissen möchte.

AK: Wenn Obstsaft, dann am besten frisch gepresst. Aber schau doch mal, du nimmst bei einem Liter Apfelsaft Fruchtzucker von vielleicht neun Äpfeln auf ohne die Faserstoffe des Fruchtfleisches, die langsamen Übergang des Zuckers ins Blut gewährleisten. Das kann doch nicht gut sein. Wichtig ist mir, Getränke aus der Glasflasche zu bevorzugen. Deshalb mache ich halt auch die Pflanzenmilch lieber selber, die gibt es ja nur im Tetrapak.

Es locken die süßen Sünden im Ladenverlauf.

Wie haltet ihr es mit dem Naschen?

AK: Na klar habe ich eine Lieblingsschokolade. Sie ist cremig durch eine feine Haselnusspaste. Wenn der Kakao nicht erhitzt wird, bleiben die Enzyme besser erhalten. Interessant sind die Schokoladen, die mit Kokosblütenzucker gesüßt sind. Übrigens: wenn Haselnüsse ankeimen, vertragen allergische Menschen sie oft besser.

JG: Doktor Feil, der ja viele Läufer berät, empfiehlt sogar ausdrücklich ein Stück ganz dunkle Schokolade vor dem Lauf. Ich kaufe gern die kleinen Riegel und esse sie ganz auf. Jetzt war mir das zum ersten Mal schon zuviel, das wäre mir früher nie passiert. Da hab ich locker auch mal 300 Gramm gegessen.

AK: Ich experimentiere seit einigen Wochen mit totalem Zucker-Verzicht. Da reicht mir ein Stück Schokolade, um voll zufrieden zu sein.

Die jungen Frauen sind einmal durch den Basic gewandert und setzen sich an einen Tisch im Café.

Warum müssen wir uns überhaupt so intensiv mit unserer Ernährung beschäftigen?

AK: Viele haben verlernt, den eigenen Instinkten zu vertrauen. Daran sind natürlich vor allem die vielen Fertigprodukte mit Zusatzstoffen und das viele Salz schuld. Ich muss Sportler erst einmal heranführen an den Ursprungsgeschmack, zum Beispiel von Spinat.

Hast du bei Gemüse schon den Unterschied in Geschmack und Vitalität bei den biodynamisch gezüchteten Sorten kennen gelernt? 

AK: Das ist Neuland für mich, klingt spannend. Bei Obst merke ich es schon. Ein Apfel vom Baum ist anders als der gekaufte.

NW: Gerade bei Möhren merke ich wie uniform die meisten sind, Aroma-arm im Vergleich zu Demeter-Sorten. Deshalb interessieren mich jetzt auch die Wildkräuter, die sprechen ja die Sinnesebene besonders an: erst mal dran riechen, ein Blättchen kauen. Wirklich ein Erlebnis, wie das Kraut von wilder Möhre intensiv nach Möhre schmeckt.

Ladenbesuch mit Folgen

Das habe ich geändert 

Nina Weis: Inzwischen bevorzuge ich Kokosblütenzucker statt Rohrzucker. Und ich habe mir einen gescheiten Mixer zugelegt, damit ich auch Blattgemüse gut klein bekomme und noch mehr Shakes als Zwischenmahlzeiten machen kann. Die passen optimal zu meiner Lebensweise.

Julia Galuschka: Ich kaufe jetzt den Rote Bete Saft immer in Glasflaschen und auch nicht ausnahmsweise Mal im Tetrapak. Und ich keime Getreide noch konsequenter als früher.

Aleksandra Kehleman: Ich beschäftige mich mit biodynamischen Gemüsesorten und der Züchtung im Einklang mit der Natur. Da kann ich noch einige Unterschiede zu herkömmlichen – meistens ja hybriden – Sorten entdecken.

Renée Herrnkind: Ich esse jetzt Obst und Gemüse nicht mehr durcheinander. Und mein obligatorisches Obst am Morgen wird nun immer von Kräutern begleitet. Das hat mir interessante Geschmacksentdeckungen beschert, die ich nicht mehr missen möchte.

Nina Weis betreute beim Demeter e.V. in Darmstadt bis 2023 die biodynamischen Winzer und Gastronomen. Ihre Freizeit prägt Capoeira. Die klassische brasilianische Kampfkunst vereint kämpferische und akrobatische Elemente. Nina ist Vegetarierin. Ihr Motto: Capoeira trainiert den ganzen Körper.

Julia Galuschka ist Lehrerin an einer Gesamtschule in Wetzlar und als Marathonläuferin deutsche Spitze. Ihre Bestzeit von 2:43:02 bescherte ihr beim Frankfurt Marathon 2016 den Meistertitel in der Klasse W35. Julia ist Vegetarierin mit veganen Akzenten. Ihr Motto: Wir erholen uns nicht im Laufe der Zeit, sondern in der Zeit, in der wir laufen.

Aleksandra Kehleman studiert Wirtschaftsingenieurwesen in Darmstadt und berät bundesweit Spitzen-Sportler in Sachen Ernährung – inklusive gemeinsamem Einkauf im Bioladen und Austausch in der Facebook-Gruppe „Top Athletes Vegan“. Aleksandra lebt seit Anfang 2011 vegan. Ihr Motto: Ich finde es toll, wenn man den wissenschaftlichen Hintergrund beim Essen auch spüren kann.

Dieser Artikel stammt aus dem Demeter Journal 33.