Fragen an die Initiatoren

Existenzgründung und Unternehmensentwicklung, wird der neu ins Leben gerufene Kurs ein Pilotprojekt für die Zukunft des Biodynamischen?

Zum Pilotprojekt Existenzgründung & Unternehmensentwicklung

Simone Helmle: Der Ökolandbau steht mit dem Generationenwechsel, mit einem für die Landwirtschaft neuen Selbstverständnis der Betriebsleiter und mit hohen Anforderungen an das Wissens- und Betriebsmanagement auf den Höfen vor immensen Herausforderungen. Außerfamiliäre Hof-übergaben, Neugründung von Höfen und Betriebsgemeinschaften, sowie Wirtschaftsmodelle, in denen bis hin zum Verbraucher die Wertschöpfungskette in die Unternehmen mit einsteigt, stellen heute ganz neue Aufgaben für Betriebsleiter dar.

Clemens Gabriel: Der Ökolandbau lebt von den Menschen, die ihn praktizieren und die die Produkte weiter verarbeiten. Im Öko-Junglandwirte-Netzwerk begeistert mich immer wieder die unbekümmerte Art und Weise der Teilnehmer. Die unvoreingenommenen Gespräche und der Umgang miteinander, ohne „das geht nicht“, ist schon etwas Besonderes. Wir möchten bei dem Kurs  Lehrlinge, Landwirte, Studenten, Imker, Gärtner und in Zukunft hoffentlich auch Metzger, Bäcker, Händler und Berater empfangen.  Die Leute sind gut ausgebildet, sind aber auch auf der Suche, haben die Fähigkeit zum Staunen und wollen Verantwortung übernehmen. Darin sehe ich Zukunft.

Simone Helmle: Ich erlebe Umsteller, Hofgründer und z. B. Bäcker mit sehr viel Leidenschaft für die Sache. Bei der Hofnachfolge in der Familie kommt  dazu die Suche nach dem eigenen Entwick-lungsweg. Es geht ja nicht bloß darum, die Arbeit fortzusetzen, um eine eigene Unterneh-merschaft, um eigene Visionen und eigene Wege sowie darum, diese konkret werden zu lassen.

Mit dem Existenzgründerkurs sprecht ihr also nicht nur Junglandwirte, sondern auch Verarbeiter, Neueinsteiger und Menschen, die ihren Betrieb weiter ausbauen möchten, an?

Simone Helmle: Das Biodynamische setzt sich in der Verarbeitung bis zum Handel fort. Wir treffen auf Kom-binationen, in denen sich die Jungen ein Standbein  in der Vermarktung aufbauen und die Eltern den Betrieb noch mehrere Jahre führen werden. Imkern geht ohne eine eigene Land-wirtschaft zu haben, in jungen Familien suchen sich beide Partner ihren eigenen Zuständig-keitsbereich.

Sind fünf Module in neun Monaten verteilt auf das Bundesgebiet zwischen Überlingen und Endeholz denn praktikabel?

Clemens Gabriel: Uns ist Offenheit sehr wichtig. Mit dem Unternehmensstandort gehe ich eine Bindung ein. Von dort aus bin ich vernetzt mit Menschen in anderen Regionen. Im Öko-Junglandwirte-Netzwerk ist uns der bundesweite Charakter sehr wichtig. In einer regionalen Veranstaltung passiert es viel schneller, dass man sich ohnehin kennt und das Gefühl hat, schon alles zu wissen.

Simone Helmle: Den Satz „Ich kann nicht weg“, höre ich häufig. Sich so zu organisieren, dass es möglich ist, mehrere Tage hintereinander unterwegs zu sein,  hat uns zu einer Seminareinheit gebracht, die heißt „Kann das Unternehmen ohne mich und kann ich auch ohne das Unternehmen?“ Jeder Ort  bietet uns zudem seine Geschichte und Entwicklungsfragen. Außerdem ist die weite Anfahrt dann gerecht verteilt.

Im Kurs arbeiten die Freie Landbauschule Bodensee, die Landbauschule Dottenfel-derhof, BioBoden, die Demeter Akademie und das Öko-Junglandwirte-Netzwerk getra-gen durch die Stiftung Ökologie und Landbau zusammen. Wie kommt es dazu?

Simone Helmle: Mit dem Schritt zum eigenen Unternehmertum geht es nicht mehr um Wissensvermittlung, sondern um die Verknüpfung des bisher Erlernten mit dem eigenen Vorhaben.  Gefragt sind reflektieren, eigene Fragen  bewegen, sich austauschen und Hinweise aufnehmen, wenn es um Darlehensgespräche, Absicherung, Rechtsfragen etc. geht. Am eigenen Projekt ange-wendet, wird das Theoretische auf einmal sehr praktisch und konkret.

Clemens Gabriel: Für alle ist die Konstellation in dem Pilotprojekt neu. Wir kommen mit verschiedenen Hinter-gründen und merken,  dass es schon zur  Frage „wer ist denn  Junglandwirt?“,  unterschied-lichste Vorstellungen gibt. Die BioBoden Genossenschaft hat täglich damit zu tun, wenn sie Bewirtschafter sucht und nach deren Visionen, Zielen, Strategien fragt.

Simone Helmle: Etwa vor einem Jahr haben verschiedene biodynamische Ausbilder mit mir und Demeter-Vorstand Alexander Gerber überlegt, was nach den Ausbildungen kommt. Entstanden ist daraus dieses Pilotprojekt. Wir wünschen uns, dass es von vielen Menschen getragen wird und wir  aus der Praxis der Höfe und der Aus- und Fortbildung heraus  eine Form finden, die den individuellen Bedarfen zwischen „Schule“ und „Coaching“ gerecht wird.

Simone Helmle, Clemens Gabriel und Uwe Greff leiten das Pilotprojekt „Existenzgründung und Unternehmensentwicklung“. Zusammen mit Kollegen im Umfeld des Demeter e.V., insbesondere mit der Freien Landbauschule Bodensee e.V. und der Landbauschule Dottenfelderhof, des Öko-Junglandwirte-Netzwerks und der BioBoden Genossenschaft eG haben sie das Pilotvorhaben entwickelt. Die Fragen stellte Michael Olbrich-Majer, Zeitschrift und Verlag Lebendige Erde im Demeter e.V.

Mehr Informationen zum Pilotprojekt Existenzgründung & Unternehmensentwicklung finden Sie hier.