Biodynamischer Pflanzenschutz

Was zunächst etwas widersprüchlich klingt, wird bei der Gärtnerei Piluweri in der Nähe von Freiburg seit über 20 Jahren erfolgreich praktiziert. Wie schaffen es die biodynamischen Gärtner, ihre Gemüsepflanzen beim Wachsen vor Schädlingen zu schützen? Wie gelingt der biodynamische Pflanzenschutz ohne Chemie?

Von Ulrike Matter-Reissmann

Ein gutes Miteinander ist hier offenbar sehr wichtig. Im Gespräch mit Gärtnermeister Richard Specht, Gesellschafter von Piluweri, fällt die Wertschätzung auf, mit der er von seinen Mitarbeitern spricht. Die Vorstellung aber, dass da ein Haufen Gutmenschen miteinander und mit ihren Pflanzen basisdemokratische Dauergespräche führen, ist grundfalsch: Auch wenn Pflanzen (wie Mitarbeiter) sicher das ein oder andere liebevolle Gespräch zu schätzen wissen, reagieren sie ungleich besser auf gärtnerisches Know-how. Das ist bei Piluweri reichlich vorhanden und wächst ständig. Verbesserungen für Bodenstruktur, Pflanzengesundheit, Betriebsabläufe und Vermarktungswege gehören zum Alltag des Betriebes, der von vier Gesellschaftern geführt wird. Um einen gesunden Boden zu bekommen und zu erhalten, ist Innovationsgeist gefragt: Bei Piluweri verzichten die Gärtner jetzt schon in der dritten Saison auf das Pflügen. Ziel ist es, eine widerstandsfähige Mikroflora aufzubauen. Dafür kommen vor allem Kompost, das Demeter-Präparat Hornmist und natürliche organische Dünger wie Schafwollpellets zum Einsatz.

Richard Specht beobachtet seine Pflanzen genau.

Die Basis: der gesunde Boden

Guten Kompost zu erhalten ist eine Wissenschaft für sich – bei Piluweri gibt es dafür regelrechte Spezialisten. Gleich neben den geschützt wachsenden Jungpflanzen wird Kompost-Tee angesetzt. In einem großen Bottich schwimmt eine braune Flüssigkeit – ein Auszug aus Kompost, Algen-Präparaten und anderen Zutaten, die für eine Verbesserung des Bodens sorgen sollen. Vor Neupflanzungen wird er auf dem Boden ausgebracht. Wichtigste Grundlage im Pflanzenschutz ist eben „ein guter Boden mit gesundem Bodenleben“, betont Richard Specht. Im Gewächshaus laufen Ventilatoren, Fenster werden millimetergenau geöffnet und geschlossen – hier kommen Bio und moderne Technik zusammen. Durch die computergesteuerte Überwachung der Luftfeuchtigkeit werden Pilzkrankheiten in Schach gehalten.

Anerkennung für gute Arbeit

Die Gärtnerei Piluweri im baden-württembergischen Müllheim-Hügelheim wird von vier Gesellschaftern geführt. Sie gründeten Piluweri 1995 und wirtschafteten von Anfang an nach Demeter- Richtlinien. Der Betrieb hat für seine Arbeit schon sehr viel Anerkennung erhalten: Förderpreis Ökologischer Landbau, Umweltpreis der Stadt Freiburg, Nachhaltigkeitspreis, Land-Wirtschafts- Kulturpreis des Demeter e.V. Mehr als 50 Mitarbeiter bewirtschaften 35 Hektar Freiland und einen Hektar Fläche mit Glas und Folie. Das Gemüse kommt direkt zum Konsumenten, zum Beispiel durch die Abokisten. Piluweri hat in einen eigenen Tiefbrunnen in der Rheinebene investiert, um die Bewässerung sicherzustellen. Die Gärtnerei deckt den Energiebedarf über eigene Photovoltaikanlagen und zugekauften Ökostrom.

Technik sinnvoll nutzen

Der Pflanzenbau im Gewächshaus wurde 2016 komplett umgestellt. So wachsen jetzt Tomaten ein- statt zweireihig, um den einzelnen Pflanzen mehr Luft und Licht zu bieten. Rasenwege zwischen den Tomaten beleben den Boden. Da die Tomatenstauden hier die stattliche Höhe von drei Metern erreichen, laufen Gärtner auf Stelzen durch die Reihen. Das sieht abenteuerlich aus – funktioniert aber unfallfrei, versichert Richard Specht. Heranwachsende Kulturen werden mit Hornkiesel besprüht, um die Pflanze in ihrer Vitalität zu fördern.

Im Freiland sind etwa 50 Prozent der gesamten Anbaufläche mit Gründüngung bewachsen, dort wird dann ein Jahr lang kein Gemüse angebaut. Der Grund für diesen Verzicht auf umittelbar ertragbringende Felder: So bleibt immer genügend Spielraum für die im Schädlingsmanagement so wichtige Fruchtfolge. Pflanzen aus derselben Familie werden dabei nicht direkt nacheinander auf demselben Boden kultiviert. So können die Entwicklungszyklen der jeweiligen Schädlinge unterbrochen werden. Kleegras reichert zudem den Boden mit Stickstoff an, den die Pflanzen für ihr Wachstum brauchen. Eine Fruchtfolge im Gewächshaus einzuhalten ist aus Platzgründen schwieriger – nicht zuletzt, weil Kunden im Sommer Tomaten, Paprika und Auberginen wollen, alle aus der Familie der Nachtschattengewächse. Und genau diese Kulturen brauchen den Schutz der Gewächshäuser, um optimal zu reifen. Da hilft dann die Kreativität des Piluweri-Teams.

Dem Schädling auf der Spur: Kontrolle ist besser

Unter den Gärtnern werden geheimnisvolle Codes in Form von bunten Kärtchen ausgetauscht. An einer Stelle stecken gelbe Kärtchen im Boden: die Mäusespezialistin im Team hat dort Fallen aufgestellt. Rote Kärtchen an der Petersilie zeigen an, dass hier vorbeugend mit dem natürlichen Pflanzenschutzmittel Neem behandelt wurde und nun zwei Wochen nicht geerntet werden darf. Neben den vorbeugenden Behandlungen mit Neem oder Seifenlauge werden sowohl im Gewächshaus als auch im Freiland im Sommer sogenannte Nützlinge eingesetzt: Schlupfwespen gegen Blattläuse oder die Weiße Fliege und Raubmilben gegen Spinnmilben. Entscheidend ist jeweils der Zeitpunkt der Ausbringung. Ist es zu spät, zu früh, zu nass oder zu trocken, helfen weder Nützlinge noch Spritzmittel. Aus diesem Grund müssen die Gärtner von Piluweri ihre Kulturen und das Wetter immer genau im Auge behalten.

Um einen Betrieb also biodynamisch und gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich zu führen, muss sorgfältig und mit viel Kompetenz gearbeitet werden. „Es reicht nicht aus, im richtigen Moment Hornkiesel oder Hornmist zu sprühen. Sorgfältiges Arbeiten und gute gärtnerische Praxis sind oberstes Gebot“, betont Richard Specht. Biodiversität – Vielfalt nutzt

Ein weiterer Grundstein für den Erfolg des biodynamischen Pflanzenschutzes ist die Biodiversität. Was sich anhört wie ein Luxusgut für Ökoträumer, ist in Wirklichkeit nicht nur für die Vielfalt auf dem Teller wichtig. Die Gärtner von Piluweri leisten ihren Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt: Seit vielen Jahren werden eigene, samenfeste Sorten für den Bio- Gemüseanbau kultiviert. Ein Teil der Pflanzen darf also blühen, bleibt für die Samengewinnung stehen. Die Pflanzengesundheit steht dann natürlich auch bei der eigenen Anzucht im Mittelpunkt. Da Piluweri sich zudem der Züchtung samenfester biodynamischer Sorten wie etwa der Möhre Milan widmet, können auch Hobbygärtner von dieser Arbeit profitieren: Über die Bingenheimer Saatgut AG kann jeder Saatgut aus der Piluweri- Gärtnerei beziehen.

www.piluweri.de

Das Herzstück von Demeter: die Biodynamischen Präparate

Richard Specht nennt die Biodynamischen Präparate „Homöopathie für Pflanze und Boden.“ Sie gestalten „die Prozesse im Boden und in der Pflanze und entscheiden mit über Qualität der Lebensmittel“, erklärt er.

Außergewöhnlichstes Charakteristikum der Biodynamischen Wirtschaftsweise sind seit über 90 Jahren die Präparate. Ihre Anwendung ist für jeden Demeter-Betrieb verpflichtend. Der Mensch nimmt für ihre Herstellung Substanzen aus der Natur, setzt sie natürlichen Kräften aus, um sie dann in veränderter Form der Natur wieder zuzuführen.

Die Spritzpräparate werden in Kuhhörner gefüllt und für einige Monate vergraben: Hornkiesel als fein zermahlener Quarz, für Hornmist Kuhdung. Beide werden dann nach dem Ausgraben in Wasser rhythmisch verrührt und ausgespritzt. Das Hornmist-Präparat wirkt sich positiv auf die Bodenfruchtbarkeit aus. Die Wirkung des Hornkiesel-Präparates kann am besten mit einem sonnigen, warmen Sommertag verglichen werden – das beobachten Gärtner, Obstbauern und Winzer. Sie wissen, dass die charakteristische Aromabildung damit gesteigert werden kann. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Haltbarkeit von Lagergemüse verbessert wird, Nitratgehalte reduziert sowie Zucker- und Vitamingehalte gesteigert werden.