Städtersprache – Bauernsprache

Können Kühe schwanger werden? Ich finde, nein. Im Sprachgebrauch heißt das trächtig, es sind ja keine Menschen. Aber die Verwendung von Begriffen scheint sich auch hier zu ändern und daran lässt sich eine Diskrepanz zwischen dem Blick von Städtern und dem von Landmenschen bemerken, die ja immer weniger werden. Es zeigt sich ein unterschiedliches Verständnis von Vorgängen in der Landwirtschaft, im oben genannten Fall in Form einer Vermenschlichung. Ähnlich ist es mit „gebären“ statt „kalben“, oder „essen“ statt „fressen“. Und den wertvollen „Dung“ als „Fäkalien“ zu bezeichnen, zeigt eben auch die Landwirtschaftsferne vieler Mitbürger.

Aber es gibt auch die andere Seite – die sprachliche Verzweckung: Bestes Beispiel ist „Unkraut“ versus „Beikraut“ bzw. „Wildkraut“. Oder „Pflanzenschutzmittel“ statt „Pestizid“. Ähnliches gilt für CO2-Sequstrierung statt Bodenfruchtbarkeit und Humusaufbau. Den Vogel aber schießt „cultivated meat“ ab, das ist Laborfleisch, Hätschelkind vieler nichtlandwirtschaftlicher Investoren. Doch eigentlich geht es  darum, differenziert statt pauschal zu sprechen: So ist ein Rindvieh im bäuerlichen Kontext eben entweder Kalb, Absetzer, Fresser, Jungrind, Färse, Kalbin, Kuh, Bulle, Jungbulle, Stier, Ochse, Altkuh, je nachdem. Und biodynamische Landwirtschaft ist keine Kreislaufwirtschaft (ein Begriff aus dem Abfallgesetz), sondern ein Organismus, natürlich mit internen stofflichen und kräftemäßigen Beziehungen. Im Kreis läuft das Pferd an der Longe, Lebendiges eher nicht, siehe zweiter Hauptsatz der Thermodynamik.

Den Demeter-Blog verfasst Michael Olbrich-Majer, Redakteur der Fachzeitschrift Lebendige Erde.

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