Zum Tod von Maria Thun

Am Donnerstag, den 9. Februar hat Maria Thun die Erde verlassen. Sie war lange Zeit ein aktives Mitglied des Vertreterkreises und auch immer aktiv bei der Landwirtschaftlichen Tagung, wo sie noch vor vier Jahren einen Vortrag gehalten hat.

Als wichtige Pionierin der biodynamischen Landwirtschaft, hat sie durch ihre Arbeit die biologisch-dynamische Bewegung in vielen Ländern, in Europa und Übersee, geprägt und impulsiert. Der „Thun Kalender“ (Aussaattage) – dieses Jahr ist die 50. Ausgabe erschienen – war für viele Menschen in den verschiedenen Ländern nicht nur eine Möglichkeit die biologisch-dynamische Landwirtschaft und den biologisch-dynamischen Gartenbau einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen, sondern auch, was für einige Ländervereine ein wichtiger Entwicklungsfaktor war, eine finanzielle Starthilfe. Er war auch ein wichtiger Aspekt ihrer Persönlichkeit: pragmatisch und bis in die konkreten Details (Technik, Finanzen, usw.) bei der Entwicklungsarbeit behilflich zu sein.

Geboren 1922 und auf einem kleinen Bauernhof aufgewachsen, hatte Maria Thun immer den Wunsch, den Landwirten in aller Welt zu helfen. Während mehr als 60 Jahren gab sie unermüdlich Kurse, Vorträge und Ratschläge, nebst ihren Versuchen und der Herausgabe ihres Kalenders und der Bücher. Für mich war immer die Frage, woher sie, auch noch im hohen Lebensalter, die Kräfte für all das Schaffen hatte. Sicher haben ihr ihre tiefe Verbindung zur Natur und ihr großer Versuchsgarten in Biedenkopf viele Kräfte gegeben. Diese intime Beziehung zu den Pflanzen und den Elementen haben bestimmt mit zum Erfolg ihrer vielfältigen Feldversuche, die sie Jahr für Jahr weitergeführt hat, beigetragen: Wirkung der kosmischen Konstellationen, Wirkung der biologisch-dynamischen Präparate, usw. Man muss auch ihre Familie erwähnen, ganz besonders ihr Sohn Matthias, der ihr bei der Arbeit stets treu zur Seite stand. Interessiert, das Leben besser zu verstehen, beschließt Maria Thun, Rudolf  Steiners Angabe zu befolgen, die besagt, dass es für ein lebendiges Denken hilfreich ist, sich in der Beobachtung von Naturphänomenen zu üben. So beginnt sie im Jahre 1952 tägliche Beobachtungen an Radieschen, um deren Wachstum zu studieren. Dabei bemerkt sie grosse tägliche Differenzen in der Morphologie und dem Ertrag. Die damaligen Kalender sprachen nur von einem Einfluss auf das Pflanzenwachstum in Bezug auf den auf- oder absteigenden Mond. Damit aber konnte sie ihre Beobachtungen nicht erklären. Alle Radieschen, die während dem absteigenden Mond gesät worden waren, hatten sehr verschiedene Formen und Größen. Dies war für Maria Thun der Ausgangspunkt, um in größerem Umfange mit praktischen Versuchen zu arbeiten. Sie kam zu der Feststellung, dass die Unterschiede zu einem großen Teil mit der Stellung des Mondes vor den Sternbildern korreliert. Jeden Tag säte sie eine neue Linie Radieschen. Sie hat unzählige Versuche realisiert. Die Resultate dieser verschiedenen und vielfältigen Einflüsse des Mondes und der Planeten auf die Pflanzen, Tiere und das Wetter publizierte sie, und mit ihrem Kalender "Aussaattage" hat sie diese Resultate in Anleitungen für die Praxis umgesetzt und einem sehr weiten Menschenkreis zugänglich gemacht.

Die pragmatische Seite von Maria Thun war mit einer hochgeistigen Suche verbunden. Sie kannte sich sehr gut aus in der Anthroposophie. Ein konkretes Beispiel dafür ist ihre ständige Arbeit an dem Herzstück der biologisch-dynamischen Landwirtschaft: die Präparate, welche sie versuchte immer geeigneter zu machen. Wie bei jedem Pionier, der gezielt in eine bestimmte Richtung forscht, haben ihre Forschungsergebnisse auch zu einer gewissen Polemik geführt. Allerdings haben die Biodynamiker immer mehr gelernt, die fruchtbaren Ergebnisse dieser Arbeit anzuschauen, um damit zu einem eigenen, persönlichen Urteil zu gelangen. Da war Maria Thun auch Vorbild: Zu den wichtigen Fragen hatte sie ihr eigenes Urteil, welches sie durch manchmal überraschende Beobachtungen begründen konnte.

Ich habe sie vor 10 Jahren in Biedenkopf in ihrem großen Versuchsgarten besucht und war sehr beeindruckt von der Strahlkraft und Gesundheit der Pflanzen, die auf einem sehr mageren Standort, ohne Bewässerung im trockenen Sommer, wuchsen. Gekonnte Praxis mit intensiver und genauer Anwendung der Präparate, bestätigten die Theorie: Es war spür- und sichtbar.

Ein letzter Aspekt, den ich gern erwähnen möchte, ist ihr soziales Engagement. Damit auch die Bäuerinnen ihre Tagung hatten (zu der Zeit kamen fast nur Männer zur Landwirtschaftlichen Tagungen), organisierte sie vor bereits 30 Jahren eine internationale Bäuerinnentagung. Ich war nie dabei (als Mann durfte ich nicht teilnehmen), aber ich habe immer sehr positive Berichte davon gehört. Dieses alljährliche Treffen hatte den Charakter einer „Emanzipationsschule“ für die Bäuerinnen.

Jean-Michel Florin, sektion.landwirtschaft@goetheanum.ch, www.sektion-landwirtschaft.org